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Transkript eines Docs fürs Wiki - aber derzeit fehlen noch die lokalen Bilder auf der Unterseite zum Kunstprojekt! Danke Patrick!
Patrick Siebert auf Lanzarote, hier ist seine Website: http://www.patricksiebert.at/
Ich träume von einer Welt, in der sich die Menschen über Geschenke verbinden. In dieser Welt gibt es genug für alle. In dieser Welt muss niemand Hunger leiden. In dieser Welt muss niemand stehlen. In dieser Welt herrscht Friede. Ich träume von einer Welt, in der immer gerade derjenige das herschenkt, was ein anderer braucht.
Abbildung 1 - "I have a dream...", die berühtmen Worte des Aktivisten Martin Luther King. Tausend Fragen tauchen bei diesem Traum auf: Ist in so einer Welt es möglich, dass längerfristige Unternehmen existieren? Klar, wenn man als Geschenk die Zusage bekommt, längerfristig zu liefern. Wäre dies eine Welt, wo man immer das bekommt, was man braucht? Wäre dies eine Welt, in welcher es keine unangenehme Arbeit mehr gäbe? Nein. Genauso wie heute vermutlich nicht. Aber diese Dinge würden leichter fallen. Es würde nicht mehr an der Geldgrenze scheitern. Würde das Geld seine Macht verlieren? Es ist die Frage, ob man, wenn man vor der Wahl stünde, sein Ding gratis herzugeben oder Geld dafür zu bekommen, sich für Ersteres entscheiden würde...Aber es würde sich zumindest nicht widersprechen. Denn es gibt beinahe nichts, was nicht noch jemand anderer anbieten oder herschenken würde. Was könnte ich persönlich in so einer Welt anbieten? Diese Frage scheint für viele Angst zu machen. Unsere Berufe drehen sich nur allzu oft um Geld. Ob man jetzt als Kassier im Supermarkt oder als Buchhalterin bei einer Bank arbeitet: Solche Berufe wären sinnlos, wenn sie es nicht schon heute sind, und würden aussterben. Mir fällt auf, dass in so einer Welt meine persönlichen Philosophie-Kenntnisse wertvoller wären als die Wirtschaftskenntnisse. Denn im besten Fall würde es kein Geld mehr, also auch keine Buchhaltung, Kostenrechnung, Finanzierung, Börse, Wertpapiere, Banken, Steuern und so weiter geben. Beinahe das gesamte bisherige Wirtschaftswissen wäre nutzlos. Würde es am Erdöl und ähnlichen Ressourcen scheitern? Niemand würde Benzin herschenken, oder? Aber eine Autofahrt eventuell. Würde man überhaupt noch etwas besitzen wollen? Vermutlich. “Communism doesn’t work because people like to own stuff”, soll der amerikansche Musiker Frank Zappa einmal gesagt haben. Widerspricht die Geschenksökonomie dem Eigentumsgedanken oder unterstützt sie ihn sogar? Gäbe es überhaupt noch Fortschritt? Warum nicht? Man würde eine gute Erfindung einfach herschenken, anstatt sie für sich zu behalten, weil man heute Angst hat, dass sie gestohlen wird. Wer würde den Müll von der Straße wegräumen? Menschen, denen langweilig wäre und die sehen, das es notwendig ist. Könnte man das System missbrauchen? Wahrscheinlich, so wie jedes System! Wie? Indem man etwas nimmt, was man nicht braucht und es zerstört oder hortet. Wenn andere es brauchen könnten, so würde man der Gemeinschaft schaden. Das ist heute jedoch genau so. Wäre es Mangelwirtschaft? Das würde von der Leistungswilligkeit der Menschen abhängen. Jetzt gibt es unter anderem so viel um uns, weil die Leute aufgrund der Verschuldung zum Arbeiten gezwungen werden. Würde die Leistungswilligkeit ohne Zwang abnehmen? Möglich. Scheitert das System an der Faulheit? Warum sollte ich in diesem System mehr machen als mein Nachbar? Wenn ich auch das Gleiche bekommen könnte? Vielleicht weil man mehr Spaß an dieser Tätigkeit fände und weil man gar nicht so viel benötigte. Wie sieht es mit Leistungsanreizen aus? Frustrierende Jobs würden nicht gemacht werden, oder? Warum haben wir die Geschenksökonomie noch nicht? Warum schenken wir nicht jetzt schon alles her? Weil bisher die technischen Möglichkeiten nicht da waren. In einer kleinen Dorfgemeinschaft von bis zu 200 Menschen könnte es ohne Technik funktionieren, wenn sie autark wirtschaften würde. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob dort Geld oder Tausch in der heutigen Form existierte. In großen Gemeinschaften wird es komplizierter. Mit Briefverkehr wäre das nicht möglich. Bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts war also die Technik noch nicht reif für die Geschenksökonomie. Erst heute, mit unseren weltumspannenden Netzen, die in Echtzeit aktualisiert werden können und mit Datenbanken, welche die Daten von Millionen oder gar Milliarden Menschen und ihrer Bedürfnisse verwalten können, ist die technische Möglichkeit der Geschenksökonomie gegeben. Wir befinden uns in der historisch einzigartigen Phase, in der es technisch möglich ist, die gesamte Weltbevölkerung zu ernähren. Warum tun wir es nicht? Vermutlich würden in der Geschenksökonomie Arbeiten wie Kloputzen von niemand anderen mehr durchgeführt werden. Aber warum sollte man nicht seine eigene Scheiße wegräumen? Jeder müsste sein eigenes Klo putzen. Tausend Fragen und tausend Zweifel. Dennoch dient dieses Buch dem Anstoß. Dennoch glaube ich an die Umsetzbarkeit einer Geschenksökonomie.
Um die Geschenksökonomie zu erklären muss man sich zuerst fragen: Was ist ein Geschenk und was ist Ökonomie? Worte sind sehr geduldig. Es gab in der Literatur schon viele Definitionen eines Geschenkes. Ich möchte kurz erklären, wie ich mir ein ideales Geschenk vorstelle.
Abbildung 2 - Was ist ein Geschenk? Erstens ist ein Geschenk bedingungslos. Es ist an keine Gegenleistung geknüpft. Es wird etwas hergegeben, ohne dass auch nur im weitesten Sinne etwas erwartet wird. Natürlich ist es schön, wenn man ein “Danke” im Gegenzug bekommt. Aber auch ohne Dankbarkeit ist ein Geschenk ein Geschenk. Für mich ist ein Geschenk eben nicht an die Verpflichtung geknüpft, es zu erwidern. Denn dann wäre es kein Geschenk, sondern ein Tausch. Ein Tausch zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass das Gegebene erwidert wird durch das Zurückgeben von etwas Anderem, auch wenn das zeitlich weit auseinanderfällt. Eine interessante Konstellation bietet das Prinzip “pay it forward”. Bei diesem wird die gegebene Sache zwar erwidert, aber nicht an den ursprünglichen Geber. Ich gebe dir etwas und du möchtest dich revanchieren. Ich verneine das und sage nur: “pay it forward! Erwidere es jemandem anderen!”. Somit gibst du jemandem anderen etwas. Auch wenn das schon ein schönes Konzept ist und ein riesen Schritt weg vom direkten Tausch, meine ich mit einem Geschenk etwas anderes. Denn “pay it forward” ist eben an die Bedingung geknüpft, dass ich dir nur gebe, wenn du irgendwas jemand anderem weitergibst - auch wenn ich diese Bedinung nicht überprüfe oder exekutiere. Zumindest erwarte ich, dass du weitergibst. Beim Geschenk erwarte ich das nicht. Nimm, ohne wenn und aber. Dieses bedingungslose Schenken ist auch schon kritisiert worden. Charles Eisenstein, obwohl selber Verteidiger der Schenkökonomie, schreibt in seinem Buch “Sacred Economics” folgendes darüber: “Betrachten wir das Ideal des freien Geschenks, das Jaques Derrida folgendermaßen charakterisiert: “Damit es ein Geschenk ist, darf keine Gegenseitigkeit, keine Erwiderung, kein Austausch, kein Gegengeschenk und keine Schuld bestehen.” Das würde ausschließen, dass der Schenkende irgendeinen Nutzen daraus ziehen kann, sei es sozialer Status, Lob, Dankbarkeitsbezeugungen, und vielleicht nicht einmal das Gefühl, etwas Tugendhaftes gemacht zu haben. Im echten Leben kommt dem die anonyme Wohltätigkeit am nächsten, oder vielleicht die Almosen für die jainistischen Asketen, die darauf achten, weder Dank noch Lob für die ihnen gegebenen Speisen zu zeigen[...] Normalerweise funktionieren Geschenke ganz anders. Wenn Sie mir etwas geben, bin ich dafür dankbar und möchte Ihnen – oder je nachdem, wie es der gesellschaftliche Brauch vorschreibt, jemand anderem – nun meinerseits etwas geben. Es ist somit eine Verbindlichkeit entstanden, eine Garantie dafür, dass der ökonomische Kreislauf innerhalb der Schenkgemeinschaft weitergeht. Anonyme Geschenke erzeugen keine solchen Bande und stärken daher auch nicht die Gemeinschaften. Der Empfänger mag dankbar sein, aber diese Dankbarkeit muss universell oder abstrakt bleiben und ist auf kein Objekt gerichtet.” Manche (so wie Derrida im obigen Zitat) würden sagen, dass ein bedingungsloses Geben nicht möglich sei, weil es immer irgendwelche Folgen nach sich ziehen könnte. Ein solches freies Geschenk sei also gar nicht denkbar. Eisenstein wiederum würde gerade diesen Mangel als etwas Gutes sehen. Geschenke sollen nach ihm gerade den Wunsch auslösen, wieder zu schenken. Sie sollen Gemeinschaft schaffen! Ich kann Eisensteins Konzept nicht folgen, bei dem Geschenke mit der Bedingung des Wiederschenkens verknüpft sein müssen oder sollen. Wenn ich an meine eigene Erfahrung zurückdenke, so habe ich für ehrliche Geschenke die meiste Zeit Dankbarkeit empfunden, ohne die Verpflichtung zu spüren, weiterzugeben. Man kann darüber diskutieren, ob ein Geschenk nicht immer an Bedingungen oder Gegenleistungen geknüpft ist. Klar, beim Geschenk kann ich mein Gewissen beruhigen. Oder es macht mir Spaß zu geben. Oder ich sehe es als meine Pflicht. Aber das trifft auf jede Handlung und Alles zu. Wenn man “Bedingung” nur weit genug fasst, so ist alles irgendwie bedingt. So ist das Geschenk natürlich zum Beispiel an die Bedingung der Existenz geknüpft. Was nicht existiert, kann auch nicht geschenkt werden. Sieht man von solchen Spitzfindigkeiten ab, ist glaube ich klar, was mit bedingungslosem Schenken gemeint ist. Ich schenke, ohne dass ich etwas erwarte. Neben der Bedingungslosigkeit gibt es noch ein zweites Kriterium: Die Annahme. Geschenke müssen angenommen werden. Werden sie nicht angenommen so sind es keine Geschenke. Wenn ich dir sage: “Ich schenke dir diesen Leib Brot” und du sagst: “Nein, danke!” so war das kein Geschenk. Wenn ich dann das Brot einfach bei dir liegen lasse, so war das erst recht kein Geschenk, sondern eine Zwangsbeglückung. Ein Geschenk hat also streng genommen doch eine Bedingung: Es ist an zwei freie Willensakte gebunden. Erstens das bedingungslose Geben, zweitens das bedingungslose Annehmen. Nachdem nun das Schenken zur Genüge definiert ist, gehen wir zur Ökonomie über.
Ich möchte Ökonomie hier weiter fassen, als die auf die beiden griechischen Worte oikos (Haus) und nómos (Gesetz) zurückgehende Bedeutung. Denn mein Konzept der Geschenksökonomie soll gerade keine Beschreibung der Gesetzesmäßigkeiten, der nómoi, hinter dem Wirtschaften darstellen. Es soll vielmehr eine Aufforderung, ein Sollen, eine performative Einführung in diese Wirtschaftsform darlegen. Allerdings stelle ich die Idee des Geschenks doch in einen gesamtwirtschaftlichen Kontext. Das heißt, ich möchte nicht von vereinzelten Schenk-Akten reden, sondern über ein Gesellschaftssystem, das Freiheit, Bedingungslosigkeit, Liebe und Freizügigkeit (jedoch nicht zwingend körperliche ;-)) in seinen Mittelpunkt stellt. Nicht monetäre Gewinnmaximierung will behandelt werden, sondern eine Gesellschaft, die das freiwillige Geben und Nehmen zu seiner Maxime erhebt. Die Geschenksökonomie ist also Wirtschaftsform, welche auf bedingungslosem, freiwilligen Geben und Nehmen beruht. Die Aufgabe dieses Buches ist es die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit eines solchen Systems auszuloten.
In meiner Schulzeit spielten wir im Turnunterricht oft ein wunderbares Ballspiel: Alle befanden sich auf dem Feld. Wir spielten abschießen. Wer vom Ball getroffen wurde und ihn nicht fangen konnte, musste das Spielfeld verlassen. Wurde der Abschießer wiederum vom Ball getroffen, so durfte man zurück ins Spiel. Der letzte, der am Feld war, gewann. Neben mir war immer ein anderer der König des Spiels. Die Spiele endeten meistens mit einem von uns zweien als Sieger. Und das, obwohl wir nach vollkommen unterschiedlichen Strategien spielten. Er war körperlich der Größte in der Klasse. Weiters konnte er den harten, blauen Ball in einer halsbrecherischen Geschwindigkeit werfen. Die Angst der Klasse war ihm sicher. Seine Schwachstelle war aufgrund seiner Größe das Ausweichen. Das war, auch bedingt durch meine geringere Körpergröße, neben meiner Schnelligkeit meine Stärke. Diese weitete ich strategisch auf das ganze Spiel aus. War der Ball auf der einen Seite, war ich auf der anderen. Der Große war immer beim Ball, ich immer weit davon entfernt. Ich ließ ihn immer die Arbeit verrichten. Die anderen hetzten sich, ich wich aus, ruhte mich aus, bereitete mich auf den Endgegner vor. Der finale Showdown ereignete sich dann meistens zwischen dem Riesen und mir. Er schoss sehr oft und ich wich sehr oft aus. Er war abgehetzt, ich noch fit. Entkam ihm der Ball jedoch, war meine Stunde geschlagen. Ich konnte zwar nicht stark schießen, er jedoch auch nicht gut ausweichen. Schlussendlich gewann manchmal er, manchmal auch ich. Doch wir beide waren in Summe viel öfters Gewinner als irgendeiner der anderen. Damals lernte ich einiges: Auch eine scheinbar schwache, feige Strategie kann sehr effizient sein. Ständig auf Angriff aus sein bringt nichts, wenn man stärkere Gegenüber hat. Ist das Gegenüber viel stärker, so muss man sich auf seine Stärken und die Schwächen des anderen konzentrieren. Was hat diese Geschichte nun mit der Geschenksökonomie zu tun? Die Geschenksökonomie ist der Spieler, der sich versteckt, der Konflikten aus dem Weg geht. Dadurch ist sie ebenso effizient, wenn nicht effizienter weil ressourcenschonender, wie andere Extremstrategien: Kapitalismus oder Kommunismus, wie er in einigen Staaten der Erde umgesetzt wurde. Beide nämlich eint eine strenge Form des Eigentums. Hier ist es das Privateigentum, dort das Gemeinschaftseigentum oder Staatseigentum. Aus persönlicher Sicht ist es extrem kräfteraubend, wenn man in solchen eigentumsfixierten Gesellschaftsformen versucht, an Eigentum zu gelangen. Denn es gibt immer schon andere, welche mehr haben und es besser ausnützen können. Man kann zwar das Spiel mitspielen, aber ob man dabei wirklich am Ende als Sieger herauskommt, darf bezweifelt werden.
„Wenn ein Mensch irgend einen Gegenstand braucht und haben will, und es trifft sich, daß der gesuchte Gegenstand im Besitze anderer, und sonst nicht zu haben ist, so wird er sich in der Regel genötigt sehen, etwas von seiner Habe anzubieten, um den Besitzer der gesuchten Sache zu veranlassen, ihm das, was er braucht, abzutreten. Er wird also den Gegenstand durch Tausch an sich bringen. Und selbst dann wird er das tun müssen, wenn dem anderen der gesuchte Gegenstand nutzlos ist. Es genügt, wenn der Eigentümer weiß, daß der andere den Gegenstand braucht oder gar haben muß, dann gibt er ihn sicher nicht umsonst, ja, in vielen Fällen wird es vorkommen, daß jemand eine Sache nur darum aufhebt und in Besitz nimmt, weil er weiß, daß hinter ihm jemand folgt, der die Sache nützlich verwenden kann. Und je dringender dieser andere den Gegenstand braucht, um so höher wird der Besitzer seine Forderung schrauben.“ Dies ist im Kern das, was den Preis und den Zins ausmacht. Die gesamte klassische Preistheorie geht davon aus, dass die Individuen ihren Nutzen und damit auch ihre Preise maximieren wollen. Umschreiben kann man das Zinsennehmen ja folgendermaßen: Ich habe etwas, das ich nicht brauche. Du brauchst es, hast es aber nicht. Ich gebe es dir nicht einfach so, sondern du musst schon etwas dafür tun! Man muss hier selbstredend unterscheiden, ob Zinsen zwischen Menschen bezahlt werden, oder ob man sie der Natur abverlangt. Wenn ich einen Samen in den Boden setze und ein Apfelbaum daraus wächst, durch den ich dann viel mehr Äpfel und damit Samen bekomme, so hat, wenn man so will, der Samen Zinsen abgeworfen. Das ist jedoch ein komplett anderer Zugang, als wenn man Zinsen von Menschen verlangt. Am krassesten wird der Gegensatz, wenn man über Geldzinsen spricht: Wenn ich jemandem Geld borgen kann, so brauche ich es offensichtlich selber nicht gerade. Sonst könnte ich es gar nicht herborgen. Etwas, das ich momentan brauche, kann ich nicht hergeben. Dieses überschüssige hergeborgte Geld kann jedoch für den Schuldner alleine gar nichts bewirken. Er kann es nicht in irgendeinen Boden einsetzen und es wird kein Geldbaum daraus. Nein, der einzige Nutzen ist, dass er es wiederum ausgeben kann. Das heißt, er muss es aus der Hand geben. Er kann es gegen Gegenstände oder Arbeitsleistung tauschen. Dann kann er wiederum versuchen, den Gegenstand oder den aus der Arbeitsleistung entstandenen Gegenstand wieder zu verkaufen. Das so eingenommene Geld kann er nun dem Kreditgeber hoffentlich zurückzahlen. Wenn nicht, so droht in unserem System die Gewalt und schlimmstenfalls der Freiheitsentzug. Der Kapitalismus in der bisherigen beruht darauf, dass man vom Gegenüber etwas verlangt. Und zwar möglichst viel. Man besitzt etwas, das man selber nicht brauchen kann und gibt es, wenn es mehrere haben wollen, dem Meistbietenden, also dem, der einem am meisten als Gegenleistung gibt. Das nennt man Profitausrichtung und -Maximierung. Die Idee, weshalb so viele glauben, der Kapitalismus sei so effizient, ist, dass die Marktteilnehmer ihre Leistung nur dort hergeben sollten, wo sie am meisten dafür kriegen, weil sie dort dem Gegenüber auch am meisten wert sei. Sie fließe also denjenigen zu, die sie am meisten brauchen. Das ist ein Irrtum, denn “brauchen” ist zu unterscheiden von “geben können”. Die Nachfrage nach Produkten wird bestimmt durch das Bedürfnis und die Kaufkraft. Eine Marktwirtschaft schaut also nicht nur auf den Bedarf, sondern auch darauf, wo die höchste Kaufkraft zu finden ist. Das ist besonders ein Problem dadurch, dass die Kaufkraft durch das Geld etabliert und verteilt wird. Ein Geldsystem jedoch, das einseitige Verteilung über Zins und Zinseszins verstärkt, kann in dem Sinne gar nicht effizient sein, weil es die Kaufkraft einseitig gesellschaftlich umverteilt. Geld sammelt sich bei denen, die es schon haben.
Abbildung 3 - Pyramide des kapitalistischen Systems. Die Idee des Kapitalismus ist also, dass man sich für seine Leistung das Gegenüber sucht, bei dem man am meisten Gegenleistung bekommt, also seine Gewinne versucht zu maximieren. Das trifft sowohl auf den Arbeitsmarkt zu (man nimmt die Stelle mit dem höchsten Gehalt), als auch auf alle anderen Güter und Dienstleistungen und selbstredend auch auf Wertpapiere und damit den Kapitalmarkt. Damit man nicht erpressen kann, soll das Prinzip der Konkurrenz stabilisierend wirken. Wenn die Preise zu hoch werden, so kommt die Konkurrenz auf den Markt und wird weniger verlangen. Aber auch sie verlangt etwas. Menschen, die nichts gegen können oder wollen, sind in einem solchen System schon per se ausgeschlossen. There is no free meal. Wer nichts arbeitet, soll auch nichts essen. In der Geschenksökonomie wird versucht, dieses Grundprinzip zu verändern. Man gibt wirklich der Person, die es am nötigsten hat, unabhängig davon, ob sie oder er etwas als Gegenleistung anbieten kann. So fließt der Überschuss wirklich den Personengruppen zu, die ihn brauchen können und nicht denen, die die größte Kaufkraft haben. Das Gute ist, dass die Geschenksökonomie nicht im Widerspruch steht zu den Theorien des Liberalismus. Eine Geschenksökonomie ist auch gerade unter liberalen Vorzeichen durchführbar. Denn gerade wenn die Verteilung nicht von oben festgelegt wird, kann jeder entscheiden, wem er seine Leistung gibt. Somit vereint die Geschenksökonomie einen sozialen Gedanken mit der Freiheit, ihn auch durchzuführen. Auch wenn die Geschenksökonomie nicht dem strengen Eigentumsgedanken widerspricht, welchem viele liberale Theorien folgen, so seien doch ein paar kritische Gedanken zum Eigentum selber zu sagen, welche ich an der folgenden Geschichte skizzieren möchte.
Vor kurzem wurde mir mein Fahrrad gestohlen.
Mir ein neues Fahrrad und ein noch größeres Schloss kaufen. All dies tat ich nicht. Stattdessen freute ich mich sogar ein wenig. Ich hatte kurz vorher sowieso entschlossen gehabt, mein Eigentum zu reduzieren. Die Diebe hatten mir dabei also sogar geholfen. Eigentlich sollte ich ihnen ja dankbar sein. Nur blöd, dass es so ein für mich wichtiges Eigentum gewesen war. Es war mein einziges Verkehrsmittel zu der Zeit, da ich gerade kein Einkommen hatte und mir sogar das Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht leisten konnte. Drei Tage lang ging ich zu Fuß. Ich lernte meine Heimatstadt Wien auf eine sehr langsame Weise neu kennen und kam an Orte, wo ich noch nie zuvor gewesen war. Mein Leben entschleunigte sich. Schließlich fand ich heraus, dass der billigste Weg durch die Stadt die Citybikes waren. Das sind Ausleihräder, die an unzähligen Ständen einfach ausborgbar waren. Man nahm Eines und gab es an einem anderen Stand einfach wieder zurück. Die Registrierung hatte einen Euro gekostet. Vermutlich musste ich außerdem mit der Hergabe meiner Daten bezahlen. Sonst jedoch war die Benützung dieser Räder kostenfrei und man kam in Verbindung mit einem höchstens 15 minütigen Fußmarsch überall in der Stadt hin. Mein Rad war schon ein billiges Verkehrsmittel gewesen. Aber mit den Citybikes ersparte ich mir sogar die Erhaltungskosten. Schließlich boten mir drei Freunde jeweils ihr Fahrrad an, welches sie sowieso nicht verwendeten und ich hatte wieder ein eigenes Rad zur Verfügung. Ich lernte aus diesem Fahrraderlebnis folgendes:
Abbildung 4 - Fahrraddiebstahl Es ließ mich über die abstrakte Idee des Eigentums nachdenken. Denn in Wirklichkeit gehört uns sowieso nichts. Dinge entstehen, kommen zu uns, bleiben bei uns und gehen wieder von uns. So einfach ist das. Wenn einem Eigentum genommen wird, so ist das zunächst kein Malheur. Das Leben verändert sich durch anderes Eigentum. In meinem Fall gab es eine angenehme Entschleunigung und neue Erfahrungen. Wir leben heute so im Überfluss, dass man sofort neue Möglichkeiten hat, sollte eine alte wegfallen.
Ein großer Teil der Bevölkerung ist damit beschäftigt, Geld zu managen. Angefangen von den unzähligen KassiererInnen in den Supermärkten, hin zu den Steuerberatern, Buchhaltern, Bankangestellten, Kostenrechnern und Finanzbeamten. Diese Menschen sind damit beschäftigt, Zahlen zu jonglieren und Papierscheine zu sortieren. Man stelle sich nur einmal vor, diese Leute könnten sich Tätigkeiten widmen, die für sie und andere wirklich sinnvoll wären: ob in der Altenpflege, in der Landwirtschaft, beim Erfinden nützlicher Werkzeuge oder in der Philosophie und Kunst. Es könnte eine enorme Produktivitäts- und Potentialentfaltungssteigerung geben! Denken Sie darüber nach, wieviel Zeit Sie im Leben schon mit Geld zählen, Steuererklärungen, Rechnungen stellen und selber zahlen, an der Kasse anstehen oder sich vor einer Mautstelle im Stau befinden verbraucht haben.
Abbildung 5 - Geld. Unser heutiges Geldsystem mag sehr effizient sein, weil es große Teile der Menschheit zum Arbeiten und Produzieren zwingt. Aber es hat auch unproduktive, Aufwände verursachende Nebeneffekte. Diese Nebenaufwände zu eliminieren, den Wohlstand damit auch bei weniger gesellschaftlichen Arbeitsaufwand zumindest halten zu können und gleichzeitig Machtstrukturen zu durchbrechen, könnten Ergebnisse der Geschenksökonomie sein! Weiters basiert unser heutiges Geldsystem auf Schulden und Guthaben. Geld kommt mittels Schulden in Umlauf. Daher sind Geldguthaben auch immer Geldschulden gegenüber. Dieses Schuldner-Gläubiger-Modell ist keinesfalls etwas Natürliches, wenn man unter “natürlich” etwas versteht, das außerhalb menschlicher Beziehungen existiert. Es schafft beidseitige Abhängigkeiten, die die Zeit überdauern. Ob es jetzt der Schuldner ist, der zuerst betteln muss, dass er den Kredit überhaupt bekommt und dann auf Biegen und Brechen versuchen muss, alles inklusive Zinsen zurückzuzahlen, oder ob der Gläubiger krampfhaft Schuldner sucht, weil das die scheinbar einzige Möglichkeit ist, sein Eigentum vor dem Verfall zu sichern und dann bangen muss, das Geld vollends wieder zu sehen: Dieses Modell scheint viele Probleme zu bergen. Insbesondere verbunden mit exponentiellen Wachstum der Schulden und Guthaben durch den Zinseszins. Da scheint die Geschenksökonomie ein besseres Modell zu sein. Das Austauschverhältnis ist einmalig und endet dann. Ich gebe her, was ich nicht brauche, wie bei einer Leihe. Doch muss ich keine Angst mehr vor dem Verlust haben. Ich bekomme umgekehrt als Beschenkter etwas und muss nicht zurückgeben, bin also unabhängig geblieben. Die Geschenksökonomie ermöglicht gesellschaftlichen Austausch und Arbeitsteilung, ohne unmittelbare direkte Abhängigkeiten zu schaffen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn wir die Themen Vertrauen, Macht und Eigentum anders denken als bisher.
Warum verwenden wir überhaupt Geld? Weil wir in unserer millionenfach aufgeteilten Handelswelt zu wenig vertrauen. Eine Stammesgesellschaft kann man innerhalb des Clans noch planwirtschaftlich oder autoritär organisieren. Auch bei größeren Gesellschaften funktioniert das, wenn auch eventuell problematisch. Der real existierende Sozialismus funktionierte auch eine Zeit lang, teilweise erfolgreicher als andere Systeme (siehe Sputnik). Das Geld verwenden wir unter anderem, um dem Vertrauensverlust in anonymen Gesellschaften zu umgehen. Ich gebe dir etwas und habe mehrere Möglichkeiten. Entweder ich vertraue darauf, dass ich auch bekomme, wenn ich brauche. Oder wir tauschen gleich. Ich muss daraufhin nicht mehr vertrauen, sondern die Beziehung zwischen uns reißt ab. Oder wir machen einen Schuldvertrag. Diesen Schuldvertrag kann ich wiederum eventuell bei jemandem anderen eintauschen. Aber ich muss, wenn ich den Schuldvertrag annehme, darauf vertrauen, dass die Schuld auch eingelöst werden wird. Abbildung 6 - Vertrauen auf den Gott des Geldes. Besonders anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass dieses Vertrauen immer auch mit Herrschaft verbunden war und ist. Sei es Gold, dass durch Tempel, die viel davon besaßen, als Zahlungsmittel eingeführt wurde. Sie es durch das Aufdrucken, Einprägen des Herrschaftssymbols mit gleichzeitigem gewaltätigen Steuereinzug. Sei es wie heute durch die von privaten Geschäftsbanken durch ihre Verbindung zu Politik und Zentralbank. Insbesonders hervorzuheben seien die Verbindung der privaten Investmentbank Goldman-Sachs mit dem öffentlichen Vertrauen in die Europäische Zentralbank, die durch die EZB-Präsidentschaft des Ex-Goldman Mario Draghi besiegelt wird, bzw. in Österreich das Vertrauen der Bevölkerung in das Parlament und in die ÖVP, deren Mitglieder viele eng mit Raiffeisen verbunden sind. Somit werden hier Institutionen, welche hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießen, von privaten, geldschöpfenden Banken zur eigenen Bereicherung missbraucht. Ob nicht abseits von solchen Herrschaftsstrukturen auch andere Austausch- und vertrauensbildende Maßnahmen denkbar wären? Lassen wir doch die Unterdrückungsform Geld zurück und bilden wir unser Vertrauen über Geschenke, bei welchen diese Verbindung von Macht und Vertrauen nicht notwendig ist!
Eigentum, wenn es wirklich exekutiert wird, greift auf Gewalt zurück. Viele liberale und libertäre Theorien gehen vom Axiom der Gewaltlosigkeit aus. Angenommen, man nehme das ernst, so dürfte man selber keine Gewalt anwenden. Auch nicht, wenn das eigene Eigentum verletzt wird. Man dürfte Eigentumsverletzungen zwar einklagen. Doch der Andere dürfte nicht gewaltsam gezwungen werden, das Eigentum herauszurücken. Man müsste, nehme man die Gewaltlosigkeit ernst, auch die Gewalt, welche mit Eigentum verbunden ist, unterlassen. Aus Sicht eines in einer Geschenksökonomie lebenden Menschen könnte ein Tausch zunächst wie ein kurz nacheinander stattfindendes Schenken aussehen. Eine Person schenkt der anderen was, die andere wiederum Ersteren. Doch der Unterschied ist jener, dass meist vor diesem Schenkakt ein Tausch- oder Kaufvertrag ausgemacht wurde. „Ich gebe dir das nur, wenn...“ Das Geben ist im Tausch an die Bedingung geknüpft, dass ebenfalls zurückgegeben wird. Wenn diese Bedingung dann im Austauschsakt verletzt wird, so ist heute Gewalt die Antwort. Zunächst kommt die Androhung von physischer Gewalt, also psychische Gewalt. Wird weiterhin nicht gegeben, setzt man tatsächlich physische Gewalt ein. Heute findet das nicht mehr von der Person selber statt, sondern ist staatlich institutionalisierte Gewalt und meist nur durch einen Richterspruch legitimiert. Dennoch ist es Gewalt. Somit ist diesem Tauschprinzip und dem scheinbar freien Markt immer auch eine Gewaltandrohung und in seltenen Fällen auch -Durchführung inhärent und vorausgesetzt. Wir brauchen für den heutigen Tausch Gewalt, welche wir meist unbewusst voraussetzen. Der Philosoph Karl-Heinz Brodbeck drückt das so aus: “Indem der je andere mein Gewalt-haben-über-... anerkennt - in der Tauschgesellschaft als symmetrische Erwartung, auch je in seiner Gewalt über die Sache anerkannt zu sein -, anerkennt er auch die Gewalt als Gewalt. [...] Das heißt man anerkennt das Recht des anderen, Gewalt über rechtmäßiges (also durch staatliche Gewalt sanktioniertes) Eigentum zu haben.” Denn strenggenommen ist Eigentum ein Verfügungsgewalt-über-etwas-haben. Man nimmt die Dinge nicht so, wie sie sind, in ihrer Existenz schlechthin, sondern man eignet sie sich an. Man identifiziert sich mit ihnen. Man bindet sie an sich und sich an sie. Dieser Gedanke ist mittlerweile weltweit verbreitet. Denn dort, wo noch niemand seinen Eigentumsstempel aufgedrückt hat, wird das sofort geschehen. Sobald man das Eigentumsrecht hat, darf man Gewalt einsetzen - Staatliche Gewalt zur Verteidigung und Durchsetzung dieses Eigentums. Denn Eigentum bedeutet, dass man andere vor der Nutzung abhalten kann. Die Geschenksökonomie möchte dieser Gewalt absagen und sich in eine gewaltlose Welt begeben. Den Unterschied zwischen Tausch und Kauf setze ich dahingehend, dass beim Kauf eine Seite das allgemein akzeptierte Zahlungsmittel, also Geld, hergibt. Das Geld ist eine komische Sache. Denn ein Gut herzustellen ist meist sehr aufwendig. Geld herzustellen ist sehr leicht. Man bedruckt Papier. Es erhält seinen Wert nicht durch viele Leute, die viele Dienstleistungen erweisen. Sondern sein Wert ist der Glaube daran, der Glaube an ein zusammenhängendes Preissystem und -Geflecht. Sonst gilt auch für den Kauf oben Gesagtes über Gewalt. Bei der Geschenksökonomie wird nicht umittelbar zurückgeschenkt. Es wird auch keine Gewalt angedroht, da im Vorhinein gar keine Gegenleistung ausgemacht wird. Das Geben ist eben an keine Bedingung geknüpft. Nimmt man die Geschenksökonomie sehr ernst, so hört sich auch das Eigentumsrecht auf. Denn dann gehört Einem nichts mehr, sondern es war alles nur ein Geschenk. Ein Geschenk der Natur, ein Geschenk Gottes oder einfach nur ein Geschenk des Seins - das kann man sich je nach religiöser Auffassung aussuchen. In diesem Geschenk offenbart sich die wirkliche Gewaltlosigkeit. Denn es wurde bedingungslos und aus Freude gegeben. Man könnte es auch mit Liebe umschreiben. Es liegt hier zugegebenermaßen eine gewisse christliche Ethik zugrunde: “Wenn dich einer auf die linke Backe schlägt, so halte ihm auch die andere hin.” Wenn dich jemand bestiehlt, also sich mehr oder weniger gewaltsam etwas nimmt, so antworte nicht mit Gewalt! Vergib ihm! Sonst wäre es doch nur Vergeltung und Rache! Dieser Gedanke ist natürlich unter heutigen Maßstäben unvorstellbar. Nicht zurückschlagen? Nicht klagen, wenn man betrogen wird? Man verstehe mich nicht falsch: Man könnte sich noch immer etwas ausmachen und Geschenksverträge schließen. Aber im Gegenteil zur gewaltsamen Durchsetzung dieser wäre auch die anschließende Durchführung freiwillig. Will der andere nicht, so kann man ihn nicht zwingen. Ich sehe schon die Evolutionstheoretiker aufstehen und sagen: “Aber es setzt sich immer der Gewalttätige durch!” Es gibt Untersuchungen, die das nicht bestätigen. “Die empathische Zivilisation” von Jeremy Rifkin beschreibt eine Geschichte von zunehmender Ethik, zunehmendem Verbundenheitsgefühl der Menschen untereinander, also entgegen der Vermutung, dass wir immer gewaltätiger werden (Siehe Kapitel „Die empathische Zivilisation“). Das lässt Hoffnung aufkommen, dass wir für eine echte Geschenksökonomie bereit sind. Bei näherer Betrachtung erweist sich Eigentum, wie wir es heute kennen, als sehr abstrakte und auf brüchiger logischer Grundlage stehende Idee. Die moderne Eigentumstheorie und allen voran die heutigen Voluntaristen gehen grundsätzlich davon aus, dass Eigentum aus Leistung entstehen sollte. Wenn ich etwas schaffe, so soll es mir gehören und niemandem anderen. Das ist zumindest konsistent und einleuchtend. Ich kann demnach nur zu Eigentum kommen, wenn ich es schaffe oder in einem beidseitig freiwilligen Tauschakt von jemandem anderen bekomme. Klingt fair. Einen Haken hat die Sache: Grund und Boden. Dieser kann nicht erschaffen werden, kann somit nicht im Eigentum sein. Man konnte ihn irgendwann einmal nur bekommen, wenn man ihn sich einfach von der Allgemeinheit aneignete. Indem man ein Stück Land, das allen gehörte, eingrenzte und mit Gewalt verteidigte. Ab dann stand es im Eigentum und konnte danach bis heute freiwillig getauscht werden. „Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und dreist sagte: 'Das ist mein' und so einfältige Leute fand, die das glaubten, wurde zum wahren Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, Leiden und Schrecken würde einer dem Menschengeschlecht erspart haben, hätte er die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinesgleichen zugerufen: ‚Hört ja nicht auf diesen Betrüger. Ihr seid alle verloren, wenn ihr vergeßt, daß die Früchte allen gehören und die Erde keinem.“ So drastisch drückt es Jean-Jacques Rousseau aus.
Abbildung 7 - Umzäunung von Eigentum. Ob eine gewaltsame Aneignung und damit Ausschluss aller anderen als Rechtfertigung für Eigentum gesehen werden kann?! Vermutlich würde dem auch ein Voluntarist widersprechen. Was ich gewaltsam aneigne, gehört mir nicht. Und wenn ich von einem Dieb etwas bekomme, so gehört mir es auch nicht. Denn man kann nichts verkaufen, was einem nicht gehört. Wozu eine starre Eigentumsregelung führen kann sieht man beispielsweise an manchen Seen Österreichs. Dort gibt es praktisch keinen Zugang mehr zum Wasser, weil alle angrenzenden Grundstücke privat und von hohen Zäunen umgeben sind. Wer war schon einmal am Wörtersee in Kärnten? Wie komme ich dazu, nicht mehr zu einem See hinzuzukommen, nur weil irgendwann einmal ein Stück Ufer okkupiert wurde und mit einem Zaun umgrenzt? Selbst oder gerade wenn man der obigen Eigentumslogik folgt, bei der Eigentum aus Leistung entsteht, ist Eigentum an Grund und Boden nicht möglich, weil er durch keine Leistung erschaffen werden kann. Das Problem an dieser Sache ist jedoch: Wenn Eigentum an Grund und Boden unmöglich wird, so wird auch Eigentum an Gegenständen unmöglich. Denn jeder Gegenstand besteht aus Materialien, die von irgendeinem Grund entnommen und damit auch der Verwendung anderer entzogen wurden. Aus keinem Eigentum an Grund folgt kein Eigentum an natürlichen Materialien und damit keine Möglichkeit für Eigentum an Gegenständen. Jeder Gegenstand ist aus Materialien, die allen oder niemandem gehören. Das trifft natürlich nur zu, wenn man die logischen Schlüsse nachvollzieht. Lässt man logische Inkonsistenzen zu, so ist Eigentum, das damit ein gesellschaftlicher Machtbegriff ist und damit diskutierbar und verhandelbar ist, selbstredend möglich. Wie können diese Gedanken nun bei der Geschenksökonomie helfen? Indem man sich bewusst macht, dass Eigentum, also die gemeinschaftlich anerkannte Macht über Gegenstände und Grund und Boden nur eine zusammen gelebte Illusion ist. Alles ist sozusagen ein Geschenk von Mutter Erde oder eigentlich, wenn man nicht auf metaphyschische Personifizierungen steht, von niemandem. Alles ist einfach da. Wir kommen und eignen es uns an, machen es uns untertan. Indem ich den Gedanken des persönlichen Eigentums relativiere, mache ich es eventuell leichter, mich von Gegenständen, die ich nicht mehr brauche, zu trennen und sie anderen zu geben. Oder Dinge loszulassen, die mir genommen werden. Sie gehörten mir sowieso nicht. Damit möchte ich nicht argumentieren, das gesetzlich sanktionierte Eigentumsrecht abzuschaffen: Die Großgrundbesitzer und Häuslbauer müssen sich nicht vor einer groß angelegten Enteignung fürchten! Man braucht die Eigentumsgesetze gar nicht ändern. Denn die Geschenksökonomie kann auch so starten. Es braucht keiner legalen Veränderung. Nur eine unserer Einstellungen, Handlungen und Gewohnheiten. Und das kann bei jedem von uns heute starten!
Abbildung 8 - Das isolierte Individuum. Ursprünglich kann man Wirtschaftspolitik in links und in rechts einteilen. Während sich rechte Politik zumeist durch starke Orientierung am Individuum auszeichnet, wird bei der linken Wirtschaftstheorie verstärkt auf systemische und gesellschaftliche Zusammenhänge verwiesen. So wie man rechts auf das Recht auf Eigentum verweist und auf die individuelle Entscheidungsfreiheit über dieses, versucht man links den gesellschaftlichen Charakter und die Verteilungsstrukturen des Kapitals zu untersuchen. Beide Seiten haben ihre Berechtigung. Einerseits stimmt es, dass eine Gesellschaft nur aus Individuen besteht und, glaubt man an den freien Willen, diese auch Verantwortung übernehmen können und Entscheidungen treffen wollen. Andererseits wirtschaftet der bei weitem größte Teil dieser Individuen in kollektiven Strukturen. Kaum jemand wohnt alleine im Wald und produziert nur für sich, um dann auf den Markt zu gehen und den Überschuss zu tauschen. Wir sind schon jäh in kollektive Strukturen eingebunden, die auch unsere Handlungen strukturieren. Und diese Strukturen können unser Denken und unser Selbstbild beeinflussen. Das Augenmerk nun auf die Unterschiede zwischen beiden Theorien zu legen und nur eine Seite der Medaille zu betrachten, kann in der Anwendung dann verheerende Auswirkungen haben. Eine zu rechte Betrachtung löst Ellenbogengesellschaft aus, in welcher die Individuen nur auf das eigene Wohl bedacht sind und im Extremfall von den anderen fallen gelassen werden. Eine zu linke Betrachtung schließt die individuelle Entscheidungsfindung und persönliche Verantwortung schon per se aus. Die Auswirkungen konnten wiederum in den Gesellschaftsformen, in welchen das Eigentum an den Produktionsmitteln komplett in kollektive abstrakte Gebilde wie Staaten übertragen wurde, beobachtet werden. Eine Gesellschaft, die kollektive Ziele zu stark über individuelle stellt, ist genauso zum Scheitern verurteilt wie ihr extremes Gegenstück. Eine interessante Sicht auf die Entwicklungsgeschichte des Menschen beschreibt Jeremy Rifkin in seinem Buch “Die empathische Zivilisation”. Hier versucht er herauszuarbeiten, das der Gegensatz zwischen Individualismus und Kollektivismus sich im Laufe der Jahre zwar verstärkt hat, das aber eher zu einer gegenseitigen Unterstützung und von einem eben ursprünglichen Gegenpart zu einem zusammengehörenden Puzzle entwickelte. So geht Rifkin davon aus, dass es zwar diesen starken Gegensatz gibt zwischen Individuum und Gesellschaft und dieser sich sogar im Laufe der Geschichte verstärke, das aber gleichzeitig der Weg zu einer empathischen Zivilisationsform wäre. In der heutigen Zeit wäre dieser Gegensatz extrem zu beobachten: Einerseits ein wie er es nennt “dramaturgisches Bewusstsein” des Einzelnen, das die Gefahr birgt, “Narzissmus, Voyeurismus und grenzenloser Langeweile Vorschub zu leisten.” Gleichzeitig leben wir in einer fürsorglichen und kollaboratierenden Welt. “Diese Generation ist dazu prädestiniert, zur empathischsten aller Zeiten zu werden.”
Abbildung 9 - Die Welt. Der Fehler liegt also darin, den Blick nur auf eine Seite der Medaille zu werfen. Es ist beides vonnöten: Einerseits starke Individuen, die sich ihrer Selbst bewusst sind und andererseits auch ein gesellschaftliches, empathisches Bewusstsein. Und diese beiden widersprechen sich nicht. Genauso ist es auch die Idee der Geschenksökonomie, beides zu vereinen. Geschenke kommen zwar von einem Individuum und gehen an ein anderes, sie sind jedoch stark gesellschaftsfördernd. Der Gegensatz zwischen linker und rechter Wirtschaftspolitik fällt zusammen. Ein Geschenk bedeutet: Ich brauche das nicht und sehe, dass du es brauchst. Also gebe ich es dir aus freien Stücken. Umgekehrt nehme ich gerne, auch wenn ich gerade nicht geben kann. Dafür werde ich auch an anderen Stellen geben können. Oder auch nicht - das macht aber nichts. Die Geschenksökonoie kann so zum Wegbereiter der modernen empathischen Zivilisation werden.
Was unterscheidet die Geschenksökonomie vom Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE)? Das BGE ist an zwei Stellen mit Zwang verbunden, wo es die Geschenksökonomie nicht ist. Erstens muss das BGE über Steuern finanziert werden. Dabei ist das bedingungslose Einkommen mit bedingungslosem Zahlen anderer verbunden. Und diese werden mittels psychischer oder gar physischer Gewalt dazu gezwungen, zu zahlen - wie bei allen Steuern. Das heißt, der erste Zwang ist der Gebezwang. Der zweite ist der Annahmezwang. Jeder Bürger bekommt es, ob er es braucht oder nicht. Man muss es nehmen und könnte es natürlich gleich weiterschenken. Soweit ich weiß sieht jedoch kein BGE-System bisher einen Annahmeverzicht vor. Wenn man diesem Zwang entgehen möchte, so sollte man versuchen, das BGE auf freiwilliger Basis einzuführen. Man könnte einen Verein oder eine Institution gründen. Das ist die Idee des freiwilligen bedingungslosen Grundeinkommens (FBGE). Wer Mitglied wird verspricht, einen gewissen Prozentsatz seines Einkommens in einen Topf einzuzahlen. Das Geld in diesem Topf wird dann durch die Anzahl der Mitglieder dividiert und an diese ausgezahlt. Kann ein solches Konzept funktionieren?
Abbildung 10 - Das Prinzip des freiwilligen BGE. Genauer ausgeführt hier: http://patrickseabird.blogspot.co.at/2012/12/freiwilliges-bedingungsloses.html Die Geschenksökonomie beinhaltet keinen dieser beiden Zwänge. Denn beim Schenken besteht ja einerseits die Gebemöglichkeit, andererseits die Annahmemöglichkeit. Ich muss nichts her schenken, ich darf. Ich muss das Geschenk nicht annehmen, ich kann! Alles, was es dazu bedarf ist ein Bewusstseinswandel und ein Vertrauensvorschuss. Staatsgewalt und zentrale Verteilungssysteme werden nicht benötigt. Vom Ergebnis her können beide, BGE und Geschenksökonomie ähnlich sein. Beide könnten den armen Bevölkerungsschichten Unabhängigkeit bieten. Beide könnten zu einer faireren und insgesamt freieren Welt führen. Beide könnten den momentanen planetaren Wachstumszwang stoppen und Neubesinnung und Muße ermöglichen. Zusätzlich wäre der Vorteil der Geschenksökonomie, dass Geld obsolet werden würde, beim BGE jedoch weiter bestehen und vermutlich weiter dem heutigen oder morgigen Geldadel dienen würde.
Man hat Geld schon auf viele Arten versucht zu rechtfertigen. Und das, obwohl wir heute Geld von Gesetz her sowieso verwenden müssen, wenn wir nicht die Geschenksökonomie anwenden. Wieso? Weil wir, wenn wir einen höheren Lebensstandard haben möchten uns der Arbeitsteilung hingeben müssen. Arbeitsteilung war bisher nur mittels Geldtransaktionen denkbar. Für diese muss man Steuern zahlen und das in gesetzlichem Zahlungsmittel, in Geld. Somit kann man sich heute zugespitzt ausgedrückt entscheiden: Verwende ich Geld oder bleibe ich arm? Die Geschenksökonomie kann hier Abhilfe schaffen, hierzu jedoch später. Ein Argument für Geld, das getarnt als Erklärung daherkommt, sind die Transaktionskosten. Das Märchen läuft wie folgt ab: Um zu entgehen, dass man immer genau jemanden suchen muss, der einem das als Gegenleistung gibt, was man selber braucht, wurde begonnen, Geld zu verwenden. Die Transaktionskosten, also die Kosten oder besser gesagt, der Aufwand, wäre mit Geld geringer, weil man es a) leichter teilen könnte als zum Beispiel beim Tausch mit Kühen und b) man eben gleich verkaufen und dann später sich einen Gegenleister suchen könnte. Somit sei das Geld aus dem Markt heraus entstanden. Wobei man sich eigentlich Märkte ohne Geld schwer nur vorstellen kann und man sich die Frage stellen könnte, ob nicht Märkte und Geld gleichzeitig aufkamen - aber das ist eine andere Geschichte. Wenn jedoch die Transaktionskosten ein Argument für Geld gegenüber dem Tausch sind, so sind sie es ebenso für die Geschenksökonomie gegenüber dem Geld. Denn bei der Geschenksökonomie müsste man sich überhaupt kein Gegenüber für einen Tausch suchen. Man würde einfach leisten. Und durch die heutige leichte Vernetzung über das Internet würde man auch leicht jemanden finden, der das gerade braucht. Somit erfährt das Internet eine Mediumsfunktion wie Geld, nur noch effizienter! Denn in der Geld-Wirtschaft muss man trotzdem noch jemanden suchen, der Geld hat. Schenken kann ich an jeden, der es nimmt. Dementsprechend kann ich auch Geschenke empfangen, ohne etwas anbieten zu können. Alle Kosten und Aufwände verbunden mit der Geldwirtschaft könnten wir uns sparen!
Komplementärwährungen sind schon oft eine Vorstufe zum Schenken. Denn die Idee einer Komplementärwährung ist, zusätzlich zum derzeitigen Währungssystem eine neue Zahlungseinheit zu schaffen. Oft sind diese dann so aufgestellt, dass sie die Probleme des derzeitig herrschenden Geldsystems verhindern wollen. Ein Beispiel für eine solche Währung ist der Rheingold-Regio. Abbildung 11 - Rheingold. Ich selber habe bei diesem Währungssystem versuchshalber mitgemacht. Einer der Gründer der Währung - Jost Reinert- schrieb mich an und bestellte ein Buch bei mir. Er fragte mich, ob er es denn in Rheingold bezahlten könnte. Ich ließ mich versuchshalber darauf ein. Daher nahm ich ein Exemplar meines vorherigen Buches “Gleitfahrt. Ein philosophisches Abenteuer auf der Donau”, packte es in ein Kuvert und sendete es ihm. Ich musste ein Rheingold-Konto online eröffnen. Auf diesem konnte ich bereits sehen, dass der umgerechnete Betrag schon gutgeschrieben war. Das besondere an Rheingold: Jeder kann selber entscheiden, wieviel Geld er schöpfen möchte. Geld wird nicht mehr durch zentrale, staatliche Institutionen in Umlauf gebracht, sondern dezentral durch die Entscheidung eines jeden Einzelnen. Zusätzlich ist diese Komplementärwährung selbstredend nicht mit einem Annahmezwang verbunden, wird also nur freiwillig akzeptiert. Doch was bedeutet das? Das bedeutet, dass Geld nicht mehr knapp ist oder künstlich knapp gehalten wird. Ich kann mich theoretisch entscheiden, ob ich für Geld etwas arbeite, oder ob ich einfach neues Geld in Umlauf bringe. Das heißt, diese Art von Geldschöpfung ist defacto eine Geschenksökonomie. Wenn jeder seine Geldeinheiten frei in Umlauf bringen kann, so muss ich mein Geld nicht mehr durch irgendwelche zukünftigen Zahlungs- oder Gegenleistungsversprechen “decken”. Wenn ich das Geld als Bezahlung akzeptiere, so weiß ich nicht, ob das Gegenüber dafür gearbeitet hat, oder es einfach schöpfte. Somit sind Komplementärwährungen wie Rheingold mentale Stützen. Sie gaukeln ein Geldsystem und direkten Tausch vor, sind jedoch eigentlich Geschenksökonomien. Denn wenn die Gegenleistung aus bedrucktem Papier besteht, das jeder selber leicht herstellen kann, so existiert eigentlich keine unmittelbare Gegenleistung. Jeder, der bei Rheingold mitmacht, schenkt damit faktisch. Somit können Komplementärwährungen eine wertvolle Stütze auf dem Weg in die Geschenksökonomie darstellen.
Das Internet veränderte bisher bereits unser Denken über Eigentum. Etwas kostenlos zu bekommen war online lange Zeit der Standard. Ob es eine Suchmaschine, eine Enzyklopädie, ein Stadtplan oder ein Mailprogramm sind - alle sind im Internet kostenlos zu haben. Um dem Urheberrecht zu entgehen haben sich für künstlerische Werke dementsprechend eigene Lizenzen herausgebildet. Diese können unter dem Namen “Creative Commons” zusammengefasst werden. Eine Creative-Commons Lizenz ermöglichte eine andere Verwendung des Urheberrechts. Man konnte anderen erlauben, sein Werk, sei es ein Schriftstück oder ein Musikstück, zu nutzen und andere Werke darauf aufbauend damit zu schaffen. Meist musste man nur den ursprünglichen Ersteller erwähnen. Keine Tantiemen mussten gezahlt werden. Es war dies schon eine Form der Geschenksökonomie, die weltweit praktiziert wurde. Im Jahr 2010 kam ich auf die Idee, diese Idee aus dem Cyberspace in die reale Welt überzuführen. Denn das Problem mit Creative Commons ist, dass diese nur für Inhalte, für Content gelten. Wenn ich ein Buch unter eine solche Lizenz stelle, so ist zwar der Inhalt kopierbar und frei. Aber das Buch mit seinem Papier und seinem Cover selber ist es nicht. Daher entwarf ich die Idee einer Common Property Lizenz, einer Lizenz für Gemeinschaftseigentum. Mittels dieser kann ich mein Privateigentum in allgemeines Eigentum überführen. Hier kann man die Idee graphisch dargestellt sehen:
Abbildung 12 - Entwurf der Common Property License. Bildquelle: Eigene Darstellung. Ich bin kein Jurist und habe deshalb keine gesetzliche Grundlage für diese Lizenz. Aber die Idee ist folgende: Wenn ich Eigentum auf die übliche heutig vorherrschende Art erlange: Durch Selbsterstellen, Tausch, Kauf oder einer Kombination derselben, so kann ich diese Lizenz irgendwie am Gegenstand anbringen und ihn so von meinem Eigentum in Allgemeineigentum überführen. Er sollte damit nicht mehr verkauft werden. Es darf kein Geld und keine Gegenleistung mehr für ihn verlangt werden. Er darf eben nur noch verschenkt werden. Man benützt ihn, solange man möchte. Wenn man ihn nicht mehr braucht, so hat jeder andere Mensch das Recht, ihn zu nützen. An diesem Ding kann man also juristisch gesehen zwar Besitz haben, aber kein Eigentum mehr. Diese Lizenz ist nicht ein gesetzlich abgesichertes Recht. Denn wenn man es gesetzlich legitimieren wollte, so müsste man es wiederum mittels Staatsgewalt durchsetzen - was dem fundamentalen Grundsatz der Geschenksökonomie, der Gewaltfreiheit, widersprechen würde. Die Lizenz ist wiederum nur ein Behelf, um die alten Denkschemata auf die Geschenksökonomie ein- und umzustellen. Ein richtiges Geschenk bedeutet, loslassen zu können. Man gibt den Gegenstand freizügig her und es muss eigentlich auch egal sein, was danach damit passiert. In unserer heutigen Welt kann der Beschenkte den Gegenstand auch wieder verkaufen. Die Lizenz ist nur eine Idee, um die Geschenksökonomie anzufangen. Um die Leute darauf aufmerksam zu machen, dass man diesen Gegenstand geschenkt bekam und deshalb sich auch Gedanken darüber zu machen, ob man nicht selber ebenfalls zu schenken beginnen möchte.
Um diese Lizenz zu bewerben, habe ich anschließend eine Kunstaktion gestartet. Es war dies ein Kunstprojekt, welches sich mit dem Thema Geschenksökonomie und Kapitalismus mulitmodal beschäftigte. (siehe Unterseite DieKunstaktion)
Keine Abhandlung wäre seriös, die nicht auch Nachteile und Schattenseiten eines Systems aufzeigte. Sonst wäre sie ja reine Propaganda. Was sind also mögliche Probleme der Geschenksökonomie, abseits der großen Frage der Durchsetzbarkeit aufgrund eines fehlenden Bewusstseinswandels? Eines der Probleme könnte das sein, was ich das Erbarmungsprinzip nenne. Um es zu erklären, möchte ich Erfahrungen aus meinem Wohngemeinschafts-Leben schildern. Eine WG ist eine kleine Gemeinschaft, die zusammen Ressourcen nützt. Es stellt sich immer die Frage der Verteilung und der Produktion. Nehmen wir das Gut Sauberkeit. Im Grund genommen lebt beinahe jeder gerne in einer sauberen Wohnung. Putzen und Aufräumen ist auf der anderen Seite von den wenigsten ein Hobby. Es besteht die generelle Tendenz des Verfalls, wenn man dieses Problem nicht löst. Was sind mögliche Lösungen? Üblicherweise bettet man sich in die Markt- und Geldprozesse ein, indem man eine Person bezahlt, die putzen kommt. Eine weitere Möglichkeit ist die Planwirtschaft. Man stellt einen Putzplan auf. Das kann sozialdemokratisch passieren, indem darüber und über mögliche Konsequenzen bei Nichteinhalten auf demokratischem Wege entschieden wird. Oder in Form einer Kommandowirtschaft, bei der der Hauptmieter den Plan aufstellt und die anderen bei Nichteinhalten aus der Wohnung geworfen werden. Oder man entscheidet sich für ein chaotisches System ohne Plan. Das kommt oft zu tragen, weil die konsequente Durchsetzung eines Planes unter Freunden nicht so leicht fällt und sich damit manche einfach nicht an die Pläne halten. In solchen Systemen regiert dann das Erbarmungsprinzip. Der Ärmste, oder eben hier der Pingeligste, erbarmt sich zum Putzen. Dieses System ist höchst unfair und aus eigener Erfahrung auch frustrierend. Denn er Sauberste empfindet es am schnellsten als schmutzig. Er kann sich entscheiden, gleich zu putzen oder zu warten, bis es einem anderen reicht. Das kann durch unterschiedliche Sauberkeitsempfindungen lange dauern. Also kann er entweder die ganze Zeit putzen, was alle anderen natürlich nicht stört, oder kann sich lange über Dreck ärgern. Die anderen könnten auch sagen: “Uns stört der Dreck ja nicht. Warum sollen wir schon putzen? Putz, wenn es dich stört!” Ein vereinfachendes Beispiel, das viele WG-Bewohner sicher nachvollziehen können, aber durchaus mit komplexen Situationen wie beispielsweise Budgetverhandlungen vergleichbar. Das Erbarmungsprinzip ist also eine Ordnung, in der sich immer wer erbarmen muss, damit etwas Sinnvolles geschieht. Würde in einer flächendeckenden Geschenksökonomie nun dieses Erbarmungsprinzip zum Tragen kommen? Was wäre mit Tätigkeiten wie Kloputzen oder anderen unangenehmen, die die wenigsten zu ihren Hobbies zählen würden? Müsste sich dann immer wer erbarmen dafür? Erstens muss man sich überlegen, wie wir es jetzt regeln. Über den Markt geregelt werden diese Tätigkeiten meist von denen ausgeübt, die wirklich keine andere Wahl haben. Die Ärmsten der Armen, die in Zwangslagen stecken müssen solche Jobs übernehmen. So gesehen muss man sich fragen, ob es nicht fairer wäre, sich zu erbarmen, selber sein Klo zu putzen, anstatt die Zwangslage anderer auszunutzen… Zweitens geht die Geschenksökonomie von einem breiten Bewusstseinswandel aus. So gesehen könnte dieser auch umschließen, dass die Menschen die wichtigen Tätigkeiten erkennen und auch durchführen. Aber natürlich ist das ein Kritikpunkt, der nicht zu vernachlässigen ist. Würde eine Geschenksökonomie in eine Abwärtsspirale führen? Warum sollte ich überhaupt noch etwas tun, wenn ich sowieso alles geschenkt bekomme? Marktradikale würden vermutlich einwenden, dass Dinge produzieren aufwändig ist, Arbeitsleid verursacht, demnach nur gemacht werden, wenn eine Gegenleistung in Aussicht steht. Man kann hier auch die Frage stellen, die Vertreter des Bedingungslosen Grundeinkommens gerne stellen: Wenn für Ihren Unterhalt gesorgt wäre, würden Sie dann noch arbeiten? Die meisten Leute, die ich kenne, würden spontan “Ja” sagen. Allerdings kann man natürlich nicht vorhersehen, wie die Menschen tatsächlich reagieren. Der Kritikpunkt lautet zusammengefasst: Setzt die Geschenksökonomie die falschen Anreize?! Ein Problem mit der Geschenksökonomie ist, dass man sie nicht mehr monetär, also in Geldeinheiten bewerten, oder ihre Kosten und ihre Vorteile errechnen kann. Man kann sich nur mehr die qualitativen Lebensunterschiede ansehen. In der Geschenksökonomie zählt nur noch die Qualität. Das gilt nicht nur gesamtwirtschaftlich, sondern auch einzelwirtschaftlich. Nehmen wir als Beispiel meine Diplomarbeit mit dem Titel: “Das Geld in der Neoklassik. Der Paradigmenwechsel in der Ökonomik am Beispiel der Geldtheorie.” Ich habe diese kostenlos zum Downloaden auf meiner Homepage. Sie wurde bis zum heutigen Tage mehr als 850 Mal heruntergeladen! Hätte ich sie verkauft, würde man von einem Bestseller sprechen. Da ich sie jedoch nicht “selle”, ist sie nur ein “Bestgiver”. In Geldeinheiten ist das nicht bewertbar. Aber ob das nun ein Vor- oder Nachteil ist, kann man nicht genau sagen. Vielleicht ist es sogar ein Segen, wenn nicht alles in den Geldgedanken gepresst wird. Ein weiteres Problem stellt der Wille zur Macht dar. Das Hinbewegen zu einer Geschenksökonomie ist nur dann möglich, wenn nicht in Schlüsselbereichen aktiv dagegen gesteuert wird. Selbstredend verlieren einzelne Gruppen bei gesellschaftlichen Veränderungen an Macht. Macht beruht auf Ungleichheit. Ich bin nur mächtiger als du, wenn ich Zugang zu Ressourcen habe, die du nicht hast. Viele Utopien, die ausprobiert wurden, scheiterten an diesem Machtgedanken. Denn wenn eine Gesellschaftsform eine gleichere Verteilung versprach, haben manche nur aus einem reinen Machtstreben heraus versucht, sich Vorteile zu verschaffen. Nun kann es in manchen kritischen Bereichen eben dazu kommen, dass die derzeitigen Machthaber einfach sagen, sie machen nicht mit. Nehmen wir die Ölindustrie beispielsweise. Wenn sich die Öllobby entschließt, Öl nicht her zu schenken sondern versucht, ihren Machtanspruch (der darauf beruht, dass sie zufällig dieses Stück Land mit Öl darunter ihr Eigen nennen) durchzusetzen und Öl weiterhin nur an den meistbietenden zu verkaufen, so scheint eine Geschenksökonomie schwer durchsetzbar. Die Welt ist zu abhängig von Öl. Die Hoffnung besteht, dass entweder dann andere Materialien gefunden und verwendet werden können oder dass das Kartell durch vom Bewusstseinswandel veränderte Menschen durchbrochen wird und Öl damit auch zur Verfügung steht. Auch andere Gruppen wie Politiker, Funktionäre, Superreiche oder Geheimdienste könnten versuchen, den auf Ungleichheit beruhenden Machtanspruch aufrechtzuerhalten. Dieses, das hat die Vergangenheit bewiesen, schrecken nicht selten vor repressiven Schritten zurück, die über psychische bis hin zur physischen Gewalt gehen können, sollte sich ein Wandel der gesellschaftlichen Strukturen ergeben. Machtverlust ist für manche schwer hinnehmbar. Dies ist also auch ein ernstzunehmender Gedanke, wenn es um die Umsetzung einer Geschenksökonomie geht. Schließlich ist der oft erwähnte Wandel des Bewusstseins vermutlich der größte Kritikpunkt. Wenn niemand sich ändert, wird sich auch nichts ändern. Für diesen Punkt sehe ich keine rationale Lösung.
Abbildung 43 - Ist der Bewusstseinswandel möglich? Man könnte immer fragen: Wenn die Geschenksökonomie so toll ist, warum gibt es sie noch nicht? Ich möchte an der Stelle an die positiven Beispiele verweisen, welche zeigen, dass Geschenksökonomie schon um uns existiert. Gerade durch die Neuentwicklung der weltweiten Echtzeit-Vernetzung sind hierbei technische Möglichkeiten entstanden, die früher einfach nicht zur Verfügung waren. Somit könnte es zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit auch technisch möglich geworden sein, weitläufig zu schenken. Man könnte auf die Geschenksökonomie einwenden, dass sie auf einem logischen Fehler beruhe. Ich habe vorher geschrieben, dass Geschenke bedingungslos sein sollten, also nicht an die Erwartung geknüpft werden, etwas zurück zu bekommen. Wenn man jedoch bei der Geschenksökonomie mitmacht, so schenkt man ständig her in der Erwartung oder zumindest in der Hoffnung, auch dann geschenkt zu bekommen, wenn man selber braucht. Bei der Geschenksökonomie mitzumachen würde heißen, sich dem Widerspruch hinzugeben, bedingungslos zu Schenken unter der Bedingung, dass man der Geschenksökonomie vertraut. Diesem Widerspruch kann man logisch entgehen, wenn man eben Erwartungen durch das Wort Hoffen oder Vertrauen ersetzt. Im Jetztigen gibt man und erwartet eine hoffentlich sofortige Gegenleistung. Geld gegen Ware. In der Geschenksökonomie gibt man und erwartet nichts. Man vertraut darauf, zu bekommen, wenn man braucht. Der logische Widerspruch löst sich auf, wenn man andere Worte benutzt. In diesem an sich logischen Widerspruch steckt jedoch vermutlich ein psychologisches Element. Es ist das Verlangen nach Sicherheit. Das derzeitige System mit seinen unmittelbaren Austauschvorgängen und seinen mit Gewalt durchgesetzten Versprechungen scheint auch Sicherheit vermitteln zu können. Man will mit Gegenleistung rechnen können, im wahrsten Sinne des Wortes. Hier muss man sich jedoch angesichts der Krisen, des ständigen Bruchs rechtsstaatlicher Prinzipien durch die Herrschenden und durch eben monetär beeinflussbare Rechtssetzung und -Durchführung fragen, ob dieses bisherige Sicherheitsgefühl nicht auf einem Irrtum, Propaganda und Gewohnheiten beruht. Neue Systeme wie die Geschenksökonomie stoßen auf Unbehagen. Das Neue sprengt meistens die gewohnten Vorstellungen und verlässt den bequemen Rhythmus - sonst wäre es nichts Neues! Den obigen logischen Widerspruch kann man also auch damit psychologisch umgehen, wenn man sich dem Neuen und Unerfahrenen hingibt!
Natürlich muss man bei jeder guten Idee auch an die Umsetzung denken. Wie soll eine Geschenksökonomie entstehen, wenn sie nicht von oben herab staatlich aufgezwungen wird? Was kann, abgesehen von diesem Buch, zu diesem Bewusstseinswandel der Menschen führen? Mich stimmen die positiven, schon existenten Beispiele sehr optimistisch. Die Geschenksökonomie ist bereits unter uns. Sie bedarf keiner gewaltsamen Revolution. Ebenso muss sie nicht durch Propaganda und Werbung verbreitet werden. Durch die Vorbildwirkung der bereits existenten Geschenksräume wird sie sich immer weiter entfalten. Sie entsteht an einzelnen Orten und meist dezentral über das Internet. Ich möchte hier ein paar Beispiele vorstellen, die ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu können als leuchtende Vorbilder fungieren:
Abbildung 44 - Logo der Share und Care Bewegung. Share und Care ist eine tausch- und verkaufsfreie Zone. “Zweck dieser Gruppe ist es, Leistungen, Dienste und Güter aus reiner Nächstenliebe und ohne Gegenleistung zu teilen/schenken. Tauschfreie und verkaufsfreie Zone! Das Teilen und Geben basiert auf reiner Nächstenliebe!! -nicht auf Entgeltung mit jeglichen Zahlungsmitteln oder auf Tausch!”, sagt die Beschreibung von Share und Care selber. Bisher ist diese Geschenksökonomie nur über Facebook organisiert, das jedoch sehr erfolgreich. Zum Zeitpunkt des Entstehens dieses Buches beträgt alleine die Wien-Gruppe 21.361 Mitglieder! Dabei ist dort schon alles, vom I-Phone, über Bilderrahmen, Tischdecken, Taschen her geschenkt worden. Ich selber habe es auch schon getestet und Umzugskartons her geschenkt, beziehungsweise selber Heferln und einen Topf geschenkt bekommen. Die Vorgehensweise ist sehr einfach. Sobald man in der Gruppe registriert ist, postet man am besten ein Foto der Sache, die man her schenken möchte und eventuell schon eine genehme Abholzeit. Daraufhin melden sich Menschen, die den Gegenstand abholen möchten. Entweder man nimmt die erste Person, die sich meldet oder sucht sich jemanden anderen aus. So kann man sich Dinge, die man loswerden möchte, direkt von der Haustüre abholen lassen. Umgekehrt kann man auch Wünsche loswerden. Man fragt einfach, ob jemand gerade den gewünschten Gegenstand loswerden möchte. Die Suchfunktion ermöglicht es ebenso, Angebot und Nachfrage ohne Zwischenschalten von Geld oder sonstiger Gegenleistung zusammenzuführen. Was früher nicht möglich gewesen wäre, ist heute durch die technischen Errungenschaften wie weltweite Vernetzung, schnellster Rechenleistung und riesiger Datenbanken möglich.
Couchsurfing oder auch der weniger bekannte Hospitality Club basieren darauf, Gästen aus dem Ausland ein Zimmer oder einen Schlafplatz zur Verfügung zu stellen. Wenn man in ein anderes Land kommt, kann man so bei wildfremden Leuten wohnen, ohne etwas zu bezahlen und ohne unmittelbar eine Gegenleistung zu geben. Ich selber habe es schon oft ausprobiert. Es ist eine bequeme Art, schnell Leute in der Fremde kennenzulernen. Und auch ich habe schon Couchsurfer bei mir gehabt. Selber war ich auch schon bei Leuten zu Gast, die Couchsurfing nie in Anspruch nehmen würden, weil sie nicht reisen. So gesehen ist es ein Beispiel für eine Geschenksökonomie. Man schenkt Leuten einen Teil seiner Wohnung und seiner Zeit, ohne etwas dafür zu verlangen und auch ohne einen Anspruch auf irgendeine Gegenleistung zu erlangen. Und es funktioniert.
Das Internet scheint eines der Medien zu sein, welches besonders zu Geschenken ermutigt. Die ganze Open Source-Bewegung basiert darauf, dass Menschen ihre Zeit und ihr Know-How herschenken. Ob es jetzt die größte Enzyklopädie der Welt, Wikipedia, der erfolgreichste Browser Firefox, das freie Betriebssystem Linux, kleinere Projekte wie das Skriptenforum für offene Lehrveranstaltungsmitschriften oder gar Baupläne für landwirtschaftliche Geräte und andere industrielle Maschinen sind, alles wird gratis zur Verfügung gestellt.
Abbildung 45 - Logo der freien Mitschriftenbörse Skriptenforum. Natürlich darf man nicht vergessen, dass man auf vielen Seiten im Internet über Werbung auch mit seiner Aufmerksamkeit bezahlt, beziehungsweise dass die Werbekunden für den Erhalt bezahlen. Aber gerade obige Beispiele sind geschenksökonomische Gustostückerl.
Freiwillige Arbeit ist und war sehr weit verbreitet. Ob man jetzt ehrenamtlich mit der Rettung mitfährt, sich in der Jugendarbeit engagiert oder in einem Verein eine tragende Rolle innehat: Ehrenamt und damit verschenkte Arbeitsleistung gehört zu unserer Gesellschaft dazu. Auch die freiwilligen Feuerwehren in den ländlicheren Gebieten dürfen nicht vergessen werden. Angesichts dieser Leistungen kann man sehen, dass die Geschenksökonomie auch bei Dienstleistungen möglich ist und bereits im großen Rahmen stattfindet. beispiel: Whoopi Goldberg in Star Trek
Abbildung 46 - Whoopi Goldberg. Im Film Star Trek: Treffen der Generationen spielt die Schauspielerin Whoopi Goldberg eines der Crewmitglieder. Goldberg verlangte für diesen Auftritt weder eine Gage, noch wurde sie im Vorspann oder im Abspann erwähnt. Sie schenkte also ihre Leistung und ihren Namen her. Dies ist besonders erwähnenswert, weil gerade Star Trek eine Utopie einer geldlosen Gesellschaft darstellt, die vom Forschungsinteresse der Menschheit angetrieben wird. So hat Goldberg die Utopie einer auf Geschenken basierenden Lebensweise durch ihre Handlungen teilweise Realität werden lassen.
Abseits des Internets kann man auch Beispiele finden. Weltweit finden jedes Jahr die so genannten Rainbow-Gatherings statt. Das sind Hippie-Treffen in der Natur, die seit 1972 durchgeführt werden. Auch bei diesen stößt man auf die Geschenksökonomie. Wenn man beispielsweise etwas benötigt, so ruft man das Betreffende aus, gefolgt vom Wort “-connection!” Wenn ich beispielsweise Salz brauche, so rufe ich “Saltconnection!” Nach meiner persönlichen Erfahrung (ich war sowohl am europäischen Gathering in der Ukraine, als auch auf dem regionalen in Österreich), hat man den betroffenen Gegenstand dann auch von irgendwem ausgehändigt bekommen. Und das, obwohl bei diesen Treffen teilweise über 2000 Leute anwesend waren und man sicher nicht jeden kennen konnte. Generell wird bei diesem Festival nichts ge- und verkauft oder getauscht und die Bezahlung für die Essenseinkäufe beruht auf freiwilliger Spende. Ein Monat lang leben so die Menschen in einer funktionierenden Geschenksökonomie zusammen. Man muss es selbst einmal erlebt haben!
Mark Boyles Buch kann als große Inspiration bezüglich Gift-economy gesehen werden. Es beschreibt seinen Weg über ein Jahr, als er versuchte, ohne Geld zu leben. Was ihm seitdem auch gelingt. Sein Lebensstil beruht heute beinahe nur auf Geschenken und kleinen Tauschakten. Die Erlöse seines Buches gehen komplett in den Kauf eines Stücks Land für eine Freeconomy Community, in welcher nur Geschenke regieren sollen. Weiters ist Boyle auch Gründer einer Geschenksplattform im Internet mit dem Namen Justfortheloveofit. Somit kann man auch heute schon als Einzelner in der Geschenksökonomie leben. Ausreden, dass die Geschenksökonomie nicht möglich sei, gelten also nicht. Mark Boyles beweist das. Ich kann sein Buch nur empfehlen, wenn man sich mit der Philosophie des Schenkens befassen möchte!
Abbildung 47 - Burning Man Festival von oben Das Burning Man Festival ist ein riesen Event, das jährlich in der Wüste von Nevada stattfindet. Nicht nur, dass eines der Prinzipien von Burning Man ist, keine Spuren nach dem Fest zu hinterlassen, nein, es ist auch eines der Beispiele einer funktionierenden Geschenksökonomie. Für eine Woche kommen die Menschen zusammen, um sich künstlerisch auszudrücken, Spaß zu haben, zu feiern, mit Gemeinschaftsprojekten zu experimentieren und eben auch zu Schenken. So entsteht jährlich für sieben Tage mitten in der Wüste die gigantische Stadt namens Black Rock City und verschwindet nachher wieder komplett. Larry Harvey, einer der Gründer des Festivals, beschreibt es selber so: “We’ve intentionally designed Black Rock City to foster a gift economy. We allow no vending, no advertising, no buying or selling of anything. We discourage bartering because even bartering is a commodity transaction. Instead, we’ve originated both an ethos and an economic system devoted to the giving of gifts.” Und das schon seit 1986. Seit 2011 kommen über 50.000 Leute zu diesem Festival zusammen, um sich gegenseitig zu beschenken. Zwar ist diese Zusammenkunft nur zeitlich punktuell gegeben aber dennoch ein Beispiel für eine schon heute funktionierende Geschenksökonomie.
Nicht zuletzt ist dieses Buch ein Beispiel, mit dem ich auch positiv vorangehen möchte und damit auch leben, was ich auch predige.
Warum ich dieses Buch her schenke
Wer das Buch umgedreht hat, der hat gesehen, dass es null Euro kostet. Es ist ein Geschenk von mir an Dich! In diesem Buch steckt Einiges an Arbeit und Herzensblut. Ich habe über acht Jahre Wirtschaft und Philosophie studiert. Ich habe jahrelang an diesen Themen geforscht und gearbeitet. Alleine die Denkarbeit war sehr aufwendig, von der Schreibarbeit und der Arbeit, das Buch zu verlegen und zu bewerben ganz zu schweigen. Schließlich habe ich noch regulär arbeiten müssen, um die Finanzierung des Buches gewährleisten zu können. All diese Arbeit schenke ich Dir! Ich tue das aus dem Grund, weil ich denke, dass eines der großen Probleme unserer Welt darin besteht, dass Gandhis oben erwähnter Satz eben nicht angewendet wird. Zu viele Menschen reden und moralisieren zu viel. Sie erzählen anderen, was zu tun wäre. Sie jammern über die Zustände. Sie theoretisieren, ohne jemals damit Handlungen auszulösen. Nehmen wir nur als Beispiel die großen Kritikpunkte am Kapitalismus. Viele regen sich über die Überfischung der Weltmeere auf und dass „der Kapitalismus“ schuld sei. Dann gehen sie Essen und bestellen Scholle. Oder sie beschweren sich über die Ausbeutung der Arbeiter. Dann gehen sie in ein Geschäft und suchen sich ihre Güter nach dem niedrigsten Preis aus. Ich habe dabei oft das Gefühl, dass, bei aller auch berechtigten Kritik an kapitalistischen Systemen, die Leute sich selber aus der Verantwortung stehlen möchten und nur auf andere mit dem Finger zeigen, ohne selber ihre Handlungen zu verändern. Nicht so dieses Buch. Wenn ich schon über die Geschenksökonomie schreibe, so ist es nur konsequent, wenn ich sie auch anwende. Indem ich dieses Buch sowohl inhaltlich, als auch materiell - also inklusive Druck und Papier – her schenke. Max Scheler soll einmal gesagt haben: “Der Wegweiser weist den Weg, aber er geht ihn nicht selber mit”. Dieser Satz ist eine Ausrede. Er ist eine Ausrede für all jene, die nur über andere schimpfen, die anderen sagen wollen, was sie zu tun haben und die nur lästern wollen. Ich würde hingegen mit folgenden Worten mitgehen, deren Ursprung nicht klar ist (manchmal sollen sie die Inder, ein andermal wiederum die Indianer erfunden haben): “Wenn jemand ein Problem erkannt hat und nichts zur Lösung des Problems beiträgt, ist er selbst ein Teil des Problems!” Andere zu verurteilen ist leicht. Eine Lösung oder auch nur ein Problem zu sehen ist auch oft nicht schwer. Aber dann nichts selber dazu beizutragen, dass diese Lösung umgesetzt wird, macht einen selber zum Teil des Problems. Denn oft sind die Lösungen einfach umzusetzen. Doch es macht niemand und daher besteht das Problem weiterhin. Deshalb wende ich mit diesem Buch gleich an, was ich auch vorstellen möchte. Ich schreibe über die Geschenksökonomie und führe sie gleichsam aus. Damit versuche ich meine Worte in Einklang mit meinen Taten zu bringen. Ich möchte Wasser predigen und auch Wasser trinken! Daher ist dieses Buch ein Geschenk. Ich freue mich, dass du es angenommen hast! Patrick Siebert (und ich freue mich dass ich Dein Geschenk weiterreichen darf. FranzNahrada)
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