Franz Nahrada / Buchprojekt Globale Doerfer / RAUM |
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zuvor: Einleitung Ein wenig Geschichte ˧
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Unser Umgang mit der Oberfläche des Planeten, der unsere Welt ist, ist hochgradig irrational. Was als "Anthropozän" bezeichnet wird müsste eigentlich als "Urbozän" bezeichnet werden. Die zwei Prozent der Landfläche des Planeten auf denen sich die Menschen zusammenballen sind es, von denen die verheerenden Wirkungen auf die restlichen 98% ausgehen - und natürlich auch auf die Meere. Es sind die Städte, zugleich Menschen- und Machtballungen, die für den Zugriff auf den Löwenanteil der planetaren Ressourcen verantwortlich sind. Der enorme Hunger urbaner Zentren nach Stoffen und Energie führt zu Raubbau und Zerstörung in den peripheren Regionen. Rohstoffe und Nahrungsmittel werden aus weit entfernten Gebieten herangekarrt. Die städtische Abfallproduktion belastet Böden, Gewässer und Luft. Die enorme Nachfrage der Städte nach Nahrungsmitteln setzt weltweit die Landwirtschaft unter Druck, möglichst billig und effizient zu produzieren. Dies fördert industrielle Landwirtschaft mit Monokulturen, Massentierhaltung, hohem Dünger- und Pestizideinsatz. Zugleich zerstört diese Industrialisierung durch ihren Konkurrenzdruck die kleinbäuerliche Landwirtschaft, werden die Transportwege für Nahrungsmittel in die Ballungszentren immer länger, mit hohen Emissionen durch den Lieferverkehr. ˧
Mittlerweile prognostiziert die UNO eine weitere Beschleunigung dieses Trends. 2050 sollen 75% der Menschen in Städten leben. Dabei nimmt die Lebensqualität in Städten ab. Die Luftverschmutzung, der Verkehrsstau in der Rush hour ist seit Jahrzehnten städtischer Normalzustand, und er steht symbolisch für den Widerstand, den die Stadt unseren Bedürfnissen entgegensetzt. Die Lebenshaltungskosten steigen beständig an, und trotzdem städtischer Wohnraum ein hochrationell hergestelltes industrielles Massenprodukt ist, ist die beständige Verteuerung aufgrund steigender Nachfrage zum existentiellen Problem vieler Menschen geworden. Man könnte sagen: die Städte ersticken an ihrem eigenen Erfolg. (1/1/2) ˧ Sicher - sie bieten Zugang zu Verkehr, Bildung, Kultur, Gesundheitseinrichtungen; sie versprechen ein breiteres Spektrum an Erwerbsmöglichkeiten und Karrierechancen; mehr Individualität und Selbstentfaltung jenseits der sozialen Kontrolle in den Dörfern; sie fangen die ländliche Überbevölkerung auf die durch Mechanisierung und Automatisierung der Landwirtschaft scheinbar überflüssig geworden ist. Und wie schon angedeutet: wirtschaftliche Konzentration führt zu politischer und kultureller Dominanz der Städte, was sich wiederum in erweiterten Möglichkeiten in den Städten niederschlägt. ˧ Aber dass die scheinbare Rationalität der Städte nur durch eine exorbitante Ausplünderung aller planetaren Ressourcen funktioniert, lässt sich immer weniger verdrängen. Gerade in den leerer werdenden ländlichen Räumen und in den Peripherien hinterlässt der industrielle Zugriff auf Natur und Bodenschätze seine direkten und indirekten Spuren, und was einst blühende Kulturlandschaften und Lebensräume waren, sind heute von Landgrabbern aufgekaufte Agrarwüsten, vielleicht noch ergänzt von einigen privatisierten Reservaten der Wildnis. (1/1/4) ˧ Zugleich passiert speziell in den Städten ein epochaler Wandel: Eine immer raschere Automatisierung frisst die Arbeitsplätze auf, nicht nur die unqualifizierten, sondern zunehmend - mit künstlicher Intelligenz - auch die qualifizierten. Also genau jene Arbeitsplätze, deretwegen die Menschen eigentlich in die Städte gegangen sind. Roboter und künstliche Intelligenz übernehmen immer mehr Aufgaben, das selbstfahrende Auto ist keine Utopie mehr, und an tausend anderen Stellen wird eifrig daran gearbeitet, Menschen überflüssig zu machen. "Der durchschnittliche Mensch wird nichts mehr haben, was es sich zu verkaufen lohnt" - das hat der Kybernetiker Norbert Wiener schon 1948 prognostiziert - und seine Prognose wird zunehmend wahr. Zunehmend füllen sich die Städte in den Zentren daher mit Abgehängten und Vereinsamten, die von einem immer prekärer werdenden Sozialsystem abhängig sind, während sich die Eliten und Leistungsträger in einem sich ständig schneller drehenden Hamsterrad behaupten müssen. ˧
(Raw) das Mäuse - Paradies - Experiment: "Das "Mäuse-Paradies-Experiment" ist eine berühmte Studie von John B. Calhoun (J. B. Calhoun: Population density and social pathology. In: California medicine. Band 113, Nummer 5, November 1970, S. 54, PMID 18730425, PMC 1501789 (freier Volltext).. Calhoun errichtete ein Gehege für Mäuse, das er "Mäuse-Paradies" nannte, da es unbegrenzten Zugang zu Nahrung, Wasser und Nestmaterial bot. https://gedankenwelt.de/universum-25-ein-beunruhigendes-experiment-zur-ueberbevoelkerung/ ˧ https://de.wikipedia.org/wiki/John_B._Calhoun ˧
An dieser Stelle möchte ich einige wirklich wegweisende Gedanken des Architekten und Architekturtheoretikers Christopher Alexander aus seinem Buch "Eine Mustersprache" referieren [1]. Der Grund liegt darin, dass eine Reihe von fundamentalen Aussagen zum Thema Raum und Raumgestaltung, die der Idee der Globalen Dörfer zugrunde liegen, bei Christopher Alexander zu finden sind. Aber weit mehr als das: Auch die Idee dass wir unsere Welt nach unseren besten Einsichten gestalten sollen und nicht diese Einsichten an sogenannten "Sachzwängen" relativieren sollten, ist meiner Ansicht nach bei Alexander genauso lebendig wie bei Karl Marx. Und im Unterschied zu Marx beschreibt Alexander nicht nur Einsichten in das schlechte Bestehende, sondern versucht tatsächlich eine neue Welt zu finden. ˧ Es ist hier nicht der Platz die Entwicklung von Alexanders Gedanken im Detail zu beschreiben und ich habe bewusst aus dem Kosmos seiner Gedanken einige sehr spezielle Themen herausgegriffen, wo er sehr konkret auf das Verhältnis von Stadt und Land eingeht. Dennoch ist es unabdingbar zumindest in wenigen Sätzen den geistigen Hintergrund zu beschreiben. Schon in seiner ersten größeren Publikation "Notes on the Synthesis of Form" - ausgezeichnet mit einem Preis für Architekturtheorie - versuchte er einem verbreiteten abstrakten, kontextfreien Denken der Architektur eine "objektive" Sprache bzw. Grammatik für gutes Design in mathematisch-analytischer Formgegenüberzustellen. Ein Beispiel dafür ist seine Kritik am Bau von Universitätsgebäuden: Oft würde nur die innere Organisation und Funktionalität betrachtet, also Anzahl der Hörsäle, Seminarräume etc. Alexander merkte dazu an, dass die Gestaltung sich nicht nur an dieser "Mathematik der Funktionen" orientieren sollte, sondern eine "Mathematik der Kontexte", also zum Beispiel der Landschaft, der Wegebeziehungen, städtebauliche Einbindung, Licht- und Klimaverhältnisse und vieles mehr. Entscheidend sei immer auch die Frage der Interaktion und Interpretation von Menschen und Gebäuden. Schon bald zeigte sich, dass diese Dimensionen schwer mathematisch zu fassen sind und Alexander wandte sich eher einem empirisch-pragmatischen Ansatz zu, ohne das Grundanliegen einer systematischen Methode für komplexe Gestaltungsprobleme aufzugeben. Das Buch "A Timeless Way of Building" war konsequenterweise ein Manifest mit der Botschaft, dass es eine "zeitlose Qualität" ist, die Menschen ein Gefühl von Leben und Zugehörigkeit vermittelt. Diese "Qualität ohne Namen" finde sich sehr viel mehr in traditioneller und spontaner Volkskunst und Bauweise als in moderner Architektur. Um diese Qualität zu erreichen, wären vor allem zwei Dinge notwendig: ˧
Der Ansatz von Alexander, der weit über die Architektur und Raumplanung Bedeutung gewonnen hat, besteht darin, interagierende Elemente zu identifizieren, die positive, belebende Rückkopplungsschleifen in einem Gesamtsystem erzeugen. Diese Elemente nennt er "Muster". Grundidee der Mustersprache ist es, bewährte Lösungen für immer wiederkehrende Probleme beim Entwurf von Gebäuden und Städten zu beschreiben. Jedes Muster beschreibt ein konkretes Problem und dessen Lösung. Die Muster bauen aufeinander auf und ergeben zusammen durch ihre Wechselbeziehungen eine Sprache, mit der komplexe Entwürfe für wirklich optimal funktionierende Lebensräume beschrieben werden können. ˧ Alexanders Absicht war es, Menschen zu qualifizieren, ein tiefes Verständnis für die Zusammenhänge ihres Lebensraumes zu entwickeln. Großmaßstäbliche städtebauliche Muster ebenso wie lokale Gestaltungen sollten nicht top-down durch zentrale Planung entstehen, sondern organisch durch viele kleine Schritte der Bürger und lokalen Gruppen. Jede soziale Gruppe von der Familie bis zur Bevölkerung einer Region sollte Eigentümerin des gemeinschaftlichen Bodens in ihrem Bereich sein und darüber auch bestimmen können. Diese Gruppen müssten das Zusammenspiel von lokalen und großmaßstäblichen Muster verstehen. ˧
Alexander hatte bereits bahnbrechende Annahmen über die Bedeutung der richtigen Verteilung von Städten und Dörfern und des ländlichen Raums als multifunktioneller integraler Raum mit freiem öffentlichem Zugang und Regeln, die es verschiedenen Gruppen und Zwecken ermöglichen, sich am Land zuhause zu fühlen. Leider richtete Alexander seine Aufmerksamkeit neben seinen allgemeinen Bemerkungen zu ländlichen Gebieten dann eher auf Städte, vielleicht ohne sich der enormen Zerstörung ländlicher Siedlungen durch die industrielle Landwirtschaft bewusst zu sein und auch ohne die Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnologie und vieler anderer neuer Werkzeuge der Dezentralisierung in Rechnung zu stellen. Obwohl also noch eine Mustersprache für den ländlichen Raum des postindustriellen Zeitalters geschrieben werden muss und dieses Buch in gewisser Weise auch ein Vorstoß in diese Richtung ist , sind in vielen Passagen seines Werks essentielle und nahezu zeitlose Qualitäten dargestellt, auf denen wir aufbauen können. ˧ Und noch mehr: So wenig wie die Technik ist die Architektur politisch und gesellschaftlich neutral. Im Klappentext eines später erschienen Buches mit dem Titel "The Battle for the Life and Beauty of the Earth" [3] heißt es: ˧
Diese Hierarchie verschieden großer sozialer und politischer Gruppen reicht von kleinen lokalen Verbänden wie Familien und Nachbarschaften bis zu großen regionalen Versammlungen. Jede Gruppe besitzt und verwaltet das gemeinsame Land auf ihrer Ebene selbstständig. Höhere Gruppen kontrollieren nur das Land dazwischen, nicht das der kleineren Gruppen. So besitzt z.B. eine Stadt nur öffentliches Land zwischen den Nachbarschaften, nicht die Nachbarschaften selbst. Jede Gruppe übernimmt Verantwortung für die Gestaltung ihres eigenen Bereichs durch Anwendung geeigneter Muster. [4] ˧ Notwendig dafür wären mehr Selbstorganisation von Gemeinschaften, Offenheit für informelle und spontane Prozesse, kleinräumige, dezentral organisierte und regionale Wirtschaftskreisläufe die die externen Zwänge vermindern, Zurückdrängung von Konsumerismus und übermäßigen Ressourcenverbrauch, die Berücksichtigung der kommenden Generationen. Ein Aspekt davon ist dass es immer auch "Niemandsland" gibt, unberührte Orte und Ressourcen für zukünftige Entwicklungen, Ausweichorte für Neuanfänge und so weiter. ˧
Inputs von Claude: ˧ §"Um sicherzustellen, dass die verschiedenen Gruppen in Alexanders Modell ihre Verantwortung für die Gestaltung ihres eigenen Bereichs übernehmen, sind meines Erachtens einige Dinge wichtig: ˧ - Basisdemokratische Strukturen und Teilhabemöglichkeiten auf allen Ebenen, um das Engagement und die Identifikation zu stärken. ˧ - Förderung von Gemeinsinn und Verantwortungsbewusstsein für das gemeinsame Land und Umfeld. ˧ - Qualifizierung und Befähigung der Menschen, z.B. durch Bildung zur Mustersprache und partizipativen Methoden. ˧ - Genügend Autonomie und Gestaltungsspielraum für jede Gruppe über "ihr" Land. ˧ - Transparenz und Rechenschaftspflicht, um Machtmissbrauch zu verhindern. ˧ - Koordination und Austausch zwischen den Gruppen, um das große Ganze im Blick zu behalten. ˧ - Existenz übergeordneter Instanzen zur Konfliktschlichtung und Regulation, wenn nötig. ˧ - Gemeinwohlorientierung statt Partikularinteressen in der Planung. ˧ - Verfahren zur demokratischen Kontrolle und Korrektur von Entscheidungen. ˧ Insgesamt braucht es wohl vor allem eine ausgeprägte demokratische Kultur auf allen Ebenen, damit Alexanders Idee funktionieren kann." ˧
Es werden zwar keine konkreten politischen oder wirtschaftlichen Modelle mit den sich das alles erreichen ließe. Allerdings lassen sich einige Rahmenbedingungen genannt: Partizipationskultur, Gemeinwohlorientierung, keine Vergötterung von Privateigentum und ökonomischem Gewinnstreben. Und auch wie wir sehen werden ähnlich wie bei Kohr die Abkehr vom großen Nationalstaat. ˧ Ich glaube dass das kein Zufall ist, dass die Bedingungen, so eine Ungeheuerlichkeit zu denken und zu realisieren, überhaupt erst jetzt durch die globale Kommunikation und Kooperation herangereift sind, auch wenn sich im Moment alle Mächte der alten Welt gegen diese Möglichkeit verbündet zu haben scheinen und uns gewaltsam vergessen machen, wie die Welt ausschauen könnte. ˧ Christopher Alexander ist speziell beim ersten Muster, das er mit seinem internen Klassifikationssystem als besonders wichtig hervorhebt, extrem deutlich geworden. Große politische Einheiten wie Nationalstaaten behindern laut Alexander ganzheitliches Handeln. Wir schaun uns daher gleich einmal dieses Muster "unabhängige Regionen" an, in dem er tatsächlich viele fundamentale politische Aussagen trifft: ˧
Der erklärungsbedürftige Satz mit dem das Muster beschrieben wird lautet: ˧
Er bringt dafür vier Hauptargumente: ˧ Das erste Element ist die für die Möglichkeit demokratischer Partizipation unabdingbare Möglichkeit von Kommunikation und Information: ˧
2. Umgekehrt bedarf es irgendeiner Form von regionaler Identität und kritischen Masse, um globale Legitimation zu erlangen und tatsächlich den Nationalstaat zugunsten einer Weltföderation, überwinden zu können. Alexander setzt diese Masse irgendwo zwischen 2 und 10 Millionen Menschen an und meint dass nur so ein zweistufiger Prozess, in dem jede Region auch direkt in einer Art Weltparlament vertreten ist, erreicht werden kann.Ich halte diesen Punkt für den, der vielleicht am meisten in Spannung geht mit der Vision der Globalen Dörfer und die Frage nach alternativen oder ergänzenden Lösungen im Zeitalter der globalen Kommunikation provoziert. Davon wird noch viel die Rede sein, auch im Zusammenhang mit Balaji Shrinivans Vision vom Netzwerkstaat[7], aber Alexanders Formel ist auf jeden Fall ein diskutablerer Ausgangspunkt als die Forderung nach einem Welthegemon oder Weltstaat, wie sie etwa Gero Jenner [8] stereotyp wiederholt. ˧ 3. Bei der Festlegung von Regionsgrenzen kommt es sehr auf tatsächliche Gemeinsamkeiten an: "Die willkürlichen Konturen von Ländern und Staaten, die sehr oft die natürlichen regionalen Grenzen durchschneiden, machen es den Menschen fast unmöglich, regionale Probleme direkt und menschlich wirksam zu lösen." Hier hat der Begriff der Bioregion seinen Platz. Die Region sollte durch klare räumliche Grenzen definiert sein, wie Täler, Flussläufe oder Gebirgszüge. Diese Region sollte einen eigenen Charakter haben und wirtschaftlich weitgehend autark funktionieren. Wenn Regionen alle Bedürfnisse des täglichen Lebens selbst abdecken können, fördert das die Identifikation und das Engagement der Bewohner"''. Und Alexander meint: Jede Region sollte ein Zentrum als identitätsstiftenden Ort - also eine Stadt - haben, an dem das öffentliche Leben stattfindet. Auch hier ist die Frage wie weit die Medien der Kommunikation die räumliche Verteilung beeinflussen können, die ja gleich in den nächsten Mustern aufgegriffen werden wird. ˧ 4. Das vierte Argument für unabhängige Regionen ist sehr spannend: Erst in einer überschaubaren Größe mit eigener Autonomie kann sich eine lebendige "Kultursphäre" als Lebensraum entfalten. "Wenn die Macht der bestehenden großen Nationen nicht weitgehend dezentralisiert wird, (werden) die schönen und differenzierten Sprachen, Kulturen, Bräuche und Lebensformen der Bewohner dieser Erde, die für die Gesundheit des Planeten lebenswichtig sind, verschwinden. Kurz, wir glauben, daß unabhängige Regionen die natürlichen Nährböden für Sprache, Kultur, Brauchtum, Wirtschaft und Recht sind und daß jede Region gesondert und unabhängig genug sein sollte, die Kraft und die Vitalität ihrer Kultur zu bewahren...." ˧ Es ist sehr interessant dass Alexander dieses Argument später, auf viel kleinerer Stufenleiter, wiederholen wird, wenn er gegen die heterogene Stadt einerseits und die ghettoisierte Stadt andererseits die Stadt als Mosaik von Subkulturen einfordert. ˧
Ebenso wichtig sind Alexanders bzw. Frank Hendricks, der dieses Muster beigesteuert hat, Argumente, dass selbst in der Großstadt Kulturräume voneinander abgeschieden sein sollten und ihren räumlichen Ausdruck brauchen: ˧
In Muster 2, "Verteilung der Städte", heißt es: ˧
Wie nicht schwer vermittelbar, geht die Idee der Globalen Dörfer einfach einen Schritt weiter und zerlegt die Stadt in Mikrokerne, die mitten im Naturraum blühen und gedeihen und miteinander virtuell verbunden sind. So ließe sich die Nähe aller Menschen zur Natur maximieren. Orte wie die Seestadt Aspern geben uns einen Eindruck von dem was da möglich wäre, ganze Perlenschnüre von Exourbanen lebendigen Kulturräumen könnten entstehen, wenn das ganze nicht selber ein Werk der Immobilienspekulation und zentraler Planung wäre, sondern ein Werk der Menschen. Muster 6 "Kleinstädte" fasst das schön zusammen: ˧
(übersetzt aus der Grand Vision) ˧ Das erste Muster, das mir in den Sinn kommt, ist das multifunktionale Dorfzentrum, ein Ort, an dem verschiedene Aktivitäten der örtlichen Gemeinschaft dauerhaft miteinander verflochten sind. Wie im Beispiel zuvor fördert die Kombination mit Mobilität die Interaktion, sodass gute Orte für solche „Vitalitätszentren“ entweder in der Dorfmitte oder an Verkehrsknotenpunkten, sei es ein Busbahnhof oder ein Bahnhof, liegen. Wir haben ein sehr gültiges Beispiel für dieses Muster, auch wenn es noch weitgehend konzeptionell ist, im Projekt „Neue Dorfmitte“ von Silicon Vilstal, unserem Gastgeber. Ein sehr interessanter Punkt ist, dass „Mobilität“ auch virtuelle Mobilität bedeuten könnte, und dass Mobilität auch umgekehrt funktioniert: Die städtischen Institutionen können buchstäblich ins Dorf ziehen, eine Universitätsvorlesung oder eine Opernaufführung kann in einer örtlichen Mehrzweckhalle stattfinden, während wir mit unseren Projekten DorfUni (Villageversity) und DorfKino (Dorfkino) experimentieren. ˧ ˧ Daran knüpft das nächste Muster an, kein architektonisches, sondern ein eher soziologisches. Wir müssen das Lernen mit regionalen Entwicklungen verknüpfen und dies in allen Altersgruppen tun. Mehrere Gemeinden in Österreich haben Schulcampusse eingerichtet, die Menschen bereits in jungen Jahren mit der regionalen Agenda verbinden. Im Fall Vorchdorf war es das Zusammentreffen eines visionären regionalen Entwicklers, der in ganz Oberösterreich gemeinsame, vollständig von den Nutzern geleitete Aktivitätsräume förderte, mit der strategischen Vision einer Gemeinde, die von einem regionalen Cluster von Metall- und Elektronikunternehmen lebt. Das war also eine natürliche Ergänzung und OTELO wurde in einem ehemaligen Schulgebäude installiert. Hier zeigt sich die große Kraft selbstorganisierter Weiterqualifizierung im Dialog der Generationen. ˧ ˧ Das nächste Muster, das meiner Meinung nach gültig ist – wenn auch bereits in größerem Maßstab – ist das Themendorf. Den Umstand, dass viele Dörfer relativ klein und abgelegen sind, in die Suche nach einem Anziehungspunkt, umzuwandeln, erhielt starke Impulse durch den Tourismus. Aus dem Bedürfnis heraus, eine alternative Einkommensquelle zu schaffen und ein Gefühl der Gemeinschaft und des Stolzes in ländlichen Gebieten im Niedergang zu fördern, entstand die Idee, einen besonderen Ort mit besonderen Merkmalen und Kompetenzen zu schaffen. ˧ In Österreich die Idee in der Region Lainsitztal durch eine Vereinbarung dreier Gemeinden geboren, sich mit ihren Themen gegenseitig zu ergänzen und diese nicht in erster Linie für Touristen, sondern auch für die lokale Bevölkerung nutzbar zu machen. Mit dieser Arbeitsteilung ist eine stärkere Integration der Kommunen in eine kleine Region geplant, gefördert durch Glasfaseranbindungen und einen Nahverkehr, der Besuche und Pendler intensiviert. ˧ Ein gut durchdachter Cluster von Cluster-Themendörfern kann zur Entstehung einer ländlichen Urbanität wie oben angedeutet führen – und die Problemlösungskapazitäten der Mikroregion auch ohne zentrale Lage oder Kleinstadt in der Nähe drastisch steigern. Diese „Landstadt“ ist daher das dritte Muster, das ich hier hervorheben möchte – mit all seinen Mobilitätsuntermustern wie flexiblen Ruftaxis für kleine Entfernungen, Fahrt entlang von Bänken mit elektronischen Displays und so weiter. Wir sehen, dass diese Muster in einigen Pilotgemeinden bereits sehr gut funktionieren, und wir gehen davon aus, dass sie sich schnell auf dem Land verbreiten werden. ˧ ˧
Immer mehr Experten sehen die anhaltende Landflucht und das rasante Wachstum der Megacities als problematisch an. Daher gibt es den Ansatz, die Lebensbedingungen auf dem Land gezielt zu verbessern, um die Abwanderung zu bremsen. ˧ Wegweisend der World Social report der UN 2021: "Ländliche Entwicklung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Es ist auch eine Aufgabe, die aus dem Leitprinzip der Agenda folgt - niemanden zurückzulassen. Deshalb muss die ländliche Entwicklung jetzt neu gedacht werden. Statt eines Nebenschauplatzes oder eines Anhängsels der städtischen Entwicklung sollte die ländliche Entwicklung in den Mittelpunkt gerückt werden. Der Lebensstandard der Landbevölkerung kann durch einen Prozess, der oft als "In-Situ-Urbanisierung" bezeichnet wird, auf das Niveau der Stadtbevölkerung angehoben werden, was auch dazu beitragen kann, viele ungerechtfertigte Folgen einer ungezügelten Land-Stadt-Migration zu vermeiden. In Zukunft könnte der In-situ-Urbanisierung als Modell für die ländliche Entwicklung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden." ˧ https://www.un.org/development/desa/dspd/wp-content/uploads/sites/22/2021/05/OVERVIEW_WSR2021.pdf ˧ Wie die Vereinten Nationen erklären, handelt es sich bei der In-situ-Urbanisierung weder um eine „klassische“ Urbanisierung, also um die Ausbreitung und Verdichtung der Bevölkerung in bereits bestehenden Städten, noch um eine „grüne Wiese“, bei der ehemals ländliche Gebiete durch einen starken Bevölkerungszuwachs in urbane Gebiete umgewandelt werden Größe. Im Gegensatz dazu ist die In-situ-Urbanisierung tatsächlich ein Modell der ländlichen Entwicklung, bei dem die wesentlichen ländlichen Merkmale bestehen bleiben, während der Lebensstandard auf das städtische Niveau ansteigt. ˧ Es gibt weltweit Beispiele dafür, dass eine solche Entwicklung im Gang ist, und sie tragen oft ähnliche Namen. In Indonesien lautet der Begriff Desakota und kommt aus dem Indonesischen desa (Dorf) und kota (Stadt), einem ländlichen Gebiet mit einigen nichtlandwirtschaftlichen Aktivitäten. In Österreich zeigt das Modell „Landstadt“ im westlichsten Bundesland Österreichs, Vorarlberg. dass ein Lebensraum, der durch ein Zusammenspiel von Kleinstädten und vitalen ländlichen Regionen geprägt ist, den Trend der Urbanisierung und Abwanderung aus ländlichen Regionen deutlich abmildern kann. (A Grand View of Our Rural Future - Slide 9) ˧ Das Rätsel der In-Situ-Urbanisierung, das im 21. Jahrhundert der heilige Gral für die ländliche Gestaltung sein könnte, könnte leicht gelöst werden, wenn wir Urbanität als Interaktion betrachten, lebendig und voller Überraschungen, nicht unbedingt als Meer von Gebäuden. Dann müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf bereits bestehende Möglichkeiten wie Bahnhöfe, Markthallen und Dorfzentren richten, um sie in Orte der Urbanität zu verwandeln, aber auch ganz neue Arrangements zwischen ländlichen Gemeinschaften untersuchen. (A Grand View of Our Rural Future - Slide 11) ˧
Prototypisch für ein denkerisches Grundmodell des Globalen Dorfes empfand ich einen leider niemals realisierten Entwurf, den das Team des britischen Architekten Richard Rogers 1994 bei einem Architekturwettbewerb in Mallorca vorlegte. (konzentrisches Modell) ˧
(ausführen, Skizzen oder Renderings) ˧
Schauen wir uns in unserer Vision dieses so veränderte oder auch neu entstandene Dorf an, so fällt uns auf, dass wir Elemente von Stadt, Vorstadt und Land in einer organischen Harmonie finden. Ein wichtiges Prinzip ist - das hat das globale Dorf von der Stadt gelernt - Verdichtung, es geht mit der Fläche sorgsam um, es weiß auch um den urbanen Effekt des Zentrums, der Piazza, des sozialen Begegnungraumes, des großen öffentlichen Wohnzimmers. Allerdings korrespondiert diese Verdichtung auf der einen Seite mit der Weite der Landschaft und des Naturraums auf der anderen Seite und fließenden Übergang dazwischen, vielleicht in konzentrischen Kreisen, und das Ganze natürlich fußläufig. Die Menschen haben erkannt, dass sie zwei Seiten haben, zwei Bedürfnisse. Der Doyen der österreichischen Sozialforschung, Ernst Gehmacher, hat es einmal unvergleichlich wienerisch ausgedrückt: Wir wollen bei der Vordertür den Stephansplatz, und beim Hinterausgang den Wienerwald. (1/3/6) ˧ Disurbanistische Visionen mit dezentraler Dichte ˧ Gene Zelmer ˧ NER ˧
Piazza Telematica ˧
Greenway ˧
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