Franz Nahrada / Beitrag Wikiposium |
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zugleich auch Beitrag für Kommunikation & Gesellschaft (siehe Changelog)
In diesem Beitrag soll es nicht darum gehen, wie Fraktalität in Wikis technisch realisiert ist und auch nicht darum, was Fraktalität eigentlich und genau ist. Nur so viel: ein fraktales Wiki ist ein Wiki, in dem einzelne Seiten beziehungsweise Bereiche wieder zu Subwikis werden können, mit den Eigenschaften einer "Informationsinsel" die ein Wiki auszeichnen: eigene Bearbeitungschronologie, Statistik, Seitenindex und Suchabgrenzung. Genau genommen geht es aber um viel mehr: an jedem Ort des Wiki können andere Gesetze gelten, Parameter fein eingestellt werden und so weiter. Auf der Wiki - Seite, auf der ich diesen Artikel schreibe, werden zum Beispiel keine automatischen Links zu bestimmten Worten generiert. Auch ist diese Seite nur durch ganz bestimmte Personen editierbar (Beiträge und Hinweise sind auf der zugehörigen Diskussionsseite erwünscht) Ein fraktales Wiki ist also ein Wiki das Individualisierbarkeit von Funktionen bis ins letzte Detail ermöglicht. Ähnliche Ideen sind zwar in verschiedenen Wiki - Engines implementiert, so zum Beispiel in PM-Wiki [1], wo es "Wikigroups" mit ähnlichen Eigenschaften innerhalb eines Meta-Wikis gibt (oder Namespaces in MediaWiki oder Webs in TWiki), doch ist ProWiki jenes System, das Fraktalität am konsequentesten implementiert hat. Nahezu jeder Parameter des Layouts, der Sprache, der Navigation und der Funktionalität kann an jedem Punkt im Wiki an aktuelle Bedürfnisse eines einzelnen Benutzers oder einer Benutzergruppe angepaßt werden. Jede Seite kann nicht nur eigene Gesetze haben, sondern gleichsam ein autonomes Wiki generieren. Dies legt für mich als Soziologen eine sehr attraktive soziale Phantasie nahe: im Gegensatz zur Struktur der Wikipedia, die mit flachen Namensräumen und strengen einheitlichen Konventionen agiert (was Jaron Lanier polemisch als "digitalen Maoismus" bezeichnet hat [2]), ermöglicht ein fraktales Wiki eine Topologie verschiedenster Ordnungen und Konventionen, eine auf einzelne Benutzer oder Benutzergruppen zugeschnittene Vielfalt von Projekten mit ganz unterschiedlichen Kulturen. [3] Im Unterschied zur "single issue" community könnte eine auf fraktalen Strukturen beruhende Kommunikationswelt Differenzen und Gemeinsamkeiten der Benutzergruppen gleichzeitig abbilden. Mit den Möglichkeiten einer solche Verschiedenheit in der Einheit beschäftigt sich das Dorfwiki, eine online-community in Österreich (und darüber hinaus) auf ProWiki - Basis, die ich von Beginn an gestalte und mit der ich experimentiere. Aus der anfänglichen Faszination ist die Erkenntnis geblieben, dass den neuen Möglichkeiten auch neue Aufgaben entspringen, auf die sich Anwender und Community-Organisatoren einstellen müssen, bevor sie das Werkzeug fraktales Wiki sinnvoll verwenden können. Dieser Bericht hat daher höchst provisorischen Charakter und sollte nicht (noch) mit einer Erfolgsgeschichte verwechselt werden, obwohl die Zugriffs- und Benutzerzahlen beständig im Steigen sind und das Dorfwiki mit einigen interessanten technischen und inhaltlichen Innovationen aufwarten kann. Vorwegnehmend kann gesagt werden: Fraktalität, soll sie nicht auf Naturwüchsigkeit reduziert werden, bedeutet die sprunghafte Zunahme an Erfordernissen editorischer Qualitätssicherung.
Das Dorfwiki gibt es seit Jänner 2004. Helmut Leitners Aufruf zur Beteiligung an der online Community des "GründerWiki" hatte mich wenige Monate zuvor erreicht, und einige Wochen im Gründerwiki hatten mich in der Idee bestärkt, vor dem Hintergrund der Thematik des Labor GIVE (GIVE Forschungsgesellschaft - eine außeruniversitäre Institution) selber eine online Community aufzubauen. Die Elementarerfahrung war die, daß Wikis die Chance boten, von der Beziehungslosigkeit und der explosiven Steigerung der Informationsmengen im Gefüge der elektronischen Publikationsformen wegzukommen, die wir in verschiedenen Projekten verwendeten. Die damals vorherrschenden elektronischen Kommunikationsformen in losen online-Communities, Mailinglisten und Foren, stellten das Problem penetranter Wucherung und Wiederholung von Inhalten in aller Schärfe. Durch ein Wiki, so die Erwartung, würde es möglich werden, Redundanzen drastisch zu reduzieren, die individuelle Selbstdarstellung zu minimieren, und die Beiträge verschiedener Projekte und Individuen durch die informationsräumliche Nähe besser miteinander abzustimmen und in Synergie zu bringen. Das wertvolle ausgetauschte Wissen würde nicht nach und nach mit der Singularität der Situationen in einem riesigen dunklen Informationshaufen verschwinden (aus dem es - falls überhaupt verlässlich archiviert - nur zufällig durch Suchmaschinen punktuell wieder herausgeholt werden kann), sondern quasi von selber zu geordneten Nachschlagewerken reifen. Immer mehr Ordnung und Kontextualität würde sozusagen dem Zeitalter des Feuilletonismus im Cyberspace ein Ende bereiten und einen immensen informationellen Mehrwert mit nur geringem Mehraufwand generieren. Diese Erwartungen korrespondieren mit den wissenschaftsstrategischen Überlegungen des Projektes "Labor GIVE", das auf einen Impuls von Douglas Engelbart anläßlich einer Begegnung, die ich mit ihm in Stanford im Jahr 1990 hatte, zurückgeht. Douglas Engelbart ist vielen bekannt als Vordenker, dem wir vielleicht die entscheidensten Impulse in Hinsicht auf die Entwicklung des Computers von der Rechenmaschine zur Kommunikationsmaschine zu verdanken haben. Er ist nicht nur der erste, der vom singulären sequentiellen Text auf den Monitoren von Großrechenanlagen der sechziger Jahre zur Vernetzung von Textstellen in gemeinsamer Bildschirmdarstellung übergegangen ist (und so quasi nebenbei als erster nicht nur den Hypertext, sondern auch die Fenstertechnik implementiert hat), er hat auch weitere Erfindungen gemacht wie das fünftastige Einhandkeyboard, das als Urahn der Computermaus gilt. Und doch äußerte sich Engelbart im persönlichen Gespräch genauso wie in seinen Publikationen schon sehr früh eher pessimistisch zu einer Technikentwicklung, die im wesentlichen durch eindimensionale Fortschrittsprognosen und eine professionelle Berufskaste der Ingenieure und Spezialisten getragen wurde. Er führte aus, dass mit all dem, was sich aus dem elektronischen Hypertext an Werkzeugen entwickelt hätte,um menschliches Denken zu unterstützen, noch niemand wirklich sinnvolle Muster des Umgangs entwickelt habe. Es sei zum Beispiel viel einfacher geworden, aus mehr aus einer Perspektive auf ein Problem zu blicken, Wissen aus verschiedenen Quellen maschinell zu verknüpfen und so weiter. Dennoch würden Wissenschafter und die Institution Wissenschaft in der Art und Weise wie sie ihre Forschungen und Publikationen organisieren, auf den Computer wie auf eine Art Superschreibmaschine reagieren, die primär ihren Output erhöhe. Demgegenüber forderte Engelbart als bewußte Strategie zur Verbesserung des technischen Fortschrittes eine multiperspektivische dialogische Forschungseinheit, der es den Namen "Bootstrap Community" gab. Wirkliche Innovation sei nur durch Transdisziplinarität zu erreichen, und eine technische Lösung die nicht von vorneherein verschiedene Perspektiven verschiedenster BenutzerInnen und Betroffener einbeziehe sei immer suboptimal. Man könne so zum Beispiel nicht über Verbesserungen im Lernen reden, ohne mit Kindern und Lehrern in innovativen Prozessen zu arbeiten. Wesentlich sei, daß diese Perspektiven einander dynamisch beeinflussen und inspirieren würden, weswegen ein multiperspektivischer und dialogischer "Labor"-Raum als Forschungsinstitution die optimale Lösung für einen Forschungsprozeß im Bereich der Adaption von Technologie für gesellschaftliche Prozesse sei. Auf diese Inspiration geht auch die Konzeption der Forschungsgesellschaft Labor GIVE selbst zurück, lange bevor sie als Trägerin und Organisatorin des Dorfwiki in Erscheinung trat. In gewisser Weise ist das Dorfwiki eine Fortsetzung der transdiziplinären Mashups, die wir in den neunziger Jahren mit den "Global Village" Konferenzen versucht haben und deren Ziel die Erkenntnis von paradoxen Synergien und Effizienzgewinnen bislang unverbundener Gruppen und Aktivitäten war. Labor GIVE ist ein Langzeitprojekt, dessen Inhalt die Zukunftsperspektiven des Lebens im ländlichen Raum und das Gestalten von neuen "dörflichen" Mikrokosmen sind - nicht zuletzt und ganz besonders in Hinblick auf die neuen Perspektiven die das Internet den realen, physischen Dörfern als Arbeits- und Lebensraum bietet. Der durchaus dramatischen Erfahrung der sich im großen Maßstab ständig beschleunigenden Entvölkerung und Ausdünnung des ländlichen Raumes und traditioneller lokaler Solidaritäten [4], wird (zunächst) die Idee einer Bootstrap Community verschiedenster am ländlichen Raum und an der dörflichen Lebensweise Interessierten gegenübergestellt, deren Aufgabe insbesondere die Integration innovativer Themen in ein kohärentes Gesamtbild des ländlichen/dörflichen Kultur- und damit aber auch potentiellen Siedlungsraums von morgen ist. Das "Dorf" der Zukunft oder das zukunftsfähige Dorfmodell ist in dieser Sichtweise kein einfaches Revival bestehender Siedlungs- und Lebensformen, sondern eine völlig neue Integration städtischer und ländlicher Elemente, eine Verbindung von sehr unterschiedlichen Kulturen beziehungsweise Mustern. Ökologen müssen sich darin genauso aufgehoben sehen wie Technologen, Theoretiker genauso wie Praktiker, Menschen die sich für Landwirtschaft oder Sport begeistern wie auch Freunde der Landschaft und der Tiere. Es geht darum, im dörflichen Rahmen genau das zu bieten dessen Fehlen Menschen zur Landflucht treibt, nämlich die Wissens-, Kultur- und Informationsdichte der Stadt - ohne dabei die spezifischen Vorteile und Eigenarten des ländlichen Raumes zu zerstören. Im Gegenteil, diese sollen dadurch noch intensiver zum Ausdruck kommen, geht es doch letztlich nicht um Verstädterung, sondern das genaue Gegenteil, eine Reintegration in Landschaft und Natur auf Basis neuer technologischer Möglichkeiten und Arbeitsteiligkeiten. Daher ergibt sich die Aufgabe, daß sehr verschiedene Gruppen nicht nur in ihren eigenen Interessen zusammengebracht und gefördert werden, sondern auch in vielen möglichen thematischen und geographischen Bezügen in einen Prozeß des Dialoges, des Ausprobierens und Lernens einbezogen werden müssen. Vom Anfang an waren daher die fraktalen Eigenschaften von ProWiki interessant, um eine "virtuelle Bootstrap Community"aufzubauen, verschiedene Individuen sowie kleine Gruppen in einem größeren Kontext zu versammeln, um sowohl ihre Beiträge zu entwickeln als auch ihnen zu erlauben miteinander und voneinander zu lernen, in Beziehung zu treten und neue inter- und transdisziplinäre Projektideen aufzugreifen. Helmut Leitner hat in seinem GründerWiki ganz bewußt die Politik des "Multiple Point of View" in den Mittelpunkt der Community - Arbeit gestellt. Das Dorfwiki ist demgegenüber auf der Idee "Complementary Points of View" aufgebaut. Konkret gestellt ist die Frage also: wie lassen sich wissenschaftliche Communities, Dorferneuerung, Bürgerinitiativen und lokale Akteure mitsamt ihrer eigenen Kommunikation in eine produktive Nähe bringen? Was kann daraus entstehen?
Die Erwartungen an die Akzeptanz des Wikis als Arbeitsplattform wurden freilich schon in der Phase, als ein "fraktales Experiment" im GründerWiki gestartet wurde, leicht enttäuscht. Die Idee begann greifbare Formen anzunehmen, als eine Arbeitsbeziehung mit dem ehemaligen Beamten im bayrischen Landwirtschaftsministerum Adolf Jändl die Notwendigkeit einer online Community nahelegte. Beim Projekt iDorf ging es um ein relativ großes Regionalentwicklungsvorhaben in Form der Erstellung von baureifen Plänen für Telesiedlungen im ländlichen Raum. Faszinierend an diesem Projekt war die Idee des "sich selbst konstruierenden Weges", denn die Bildungs- und Qualifikationsmaßnahmen des Projektes sollten zugleich auch die reale telematische Infrastruktur, die Akzeptanz und das kulturelle Verständnis und schließlich auch die Attraktivität für die aufs Land ziehende Telearbeiterpopulation schaffen. Ein Versuch der kühn und exzentrisch genug erschien, um ihm eine (damals noch) Abteilung im GründerWiki [5] zu widmen. Der Vorschlag, einen Bezug herzustellen zwischen virtuellen Communities und “wirklichem Leben” stieß auch auf die besondere Sympathie Helmut Leitners. Freilich zeigte sich sehr rasch, dass sich zwar einzelne vorhandene Texte und Statements des Projektes dokumentieren ließen, aber das Wiki nicht wirklich den Workflow eines in Einreichung befindlichen EU Projektes abzubilden vermochte. Der Auslöser für die Gründung des DorfWiki war der Umstand, daß das im Herbst 2003 begonnene EU Projekt ERDE (European Rural Development by means of Education) eine Dokumentationsplattform benötigte. Damit war die Finanzierung für ein eigenes Wiki gesichert. Der Umstand, dass durch einen einzigen Befehl auf der Kontextseite von ERDE ein englisches Subwiki erzeugt werden konnte, gab der Sache natürlich großen Auftrieb. Das Tool Dorfwiki bewährte sich schon wenige Wochen später beim zweiten internationalen Projektmeeting in Coburg [6]
Die Start Seite des Dorfwiki am 22. Jänner 2004
Während das ERDE Projekt vom Werkzeug Wiki wenigstens ein wenig Gebrauch machte, war die iDorf-Community wie einige andere Communities aus dem Bereich der Dorferneuerung, die unter einem Dach vereinigt werden sollten, nicht willens, dieses Tool auch wirklich zu benutzen. Was eine Zeitlang funktionierte, war die Übertragung und Einpflege von extern erarbeiteten Inhalten in den Bereich des Wiki zum Zweck der laufenden Aktualisierung, zum Beispiel ein Mini - Internet Glossar, das für die niederösterreichische Dorferneuerung verfasst worden war, um Aktivisten im kommunalen Bereich eine Einführung zu geben. [7].
In Anlehnung an Helmut Leitners Idee, einer Community Entwicklungsvorstellungen inhaltlicher Art vorzugeben, ohne die Arbeit allzusehr einzuengen, entstand die Metapher und Idee des Gartenplans. Gleich dem Inhaltsverzeichnis eines Buches sollte eine antizipierte Gliederung nicht nur Überblick verschaffen, sondern auch Motivation erzeugen. Der Begriff und die Metapher des Gartens sollten darauf verweisen, daß ein Wiki eine lebendige Struktur ist, die dennoch mit einer gewissen Intention aufgebaut wird. In gewisser Weise kann er als Versuch verstanden werden, eine Mitte zwischen den gängigen Metaphern "Bazar" und "Kathedrale" zu finden. [8]. Der Gartenplan wurde wie folgt eingeführt:
In dieser Zeit (Mitte bis Ende 2005) stieg auch das Interesse der niederösterreichischen Dorferneuerung für das Dorfwiki; es wurde als unterstützenswerte und lebendige Umgebung gesehen, innerhalb derer neue Kommunikation und Kooperationsformen auf Basis elektronischer Medien zu den Aktiven in der Dorferneuerung gebracht werden konnten. Der Gartenplan war daher auch ein Versuch, dem Bedürfnis nach weiteren Kommunikationsräumen und thematischen Räumen Platz zu geben, ohne dass diese Räume schon mit wirklichen Menschen gefüllt waren. Vorgesehen waren daher folgende Kategorien von Seiten:
Wie also die Fraktalität praktisch unterstützen und propagieren? Ein Weg, der sich als relativ erfolgversprechend erwies war die Strategie der "persönlichen Wikis", eine Verpersönlichung von Userseiten durch darunter liegende Arbeitsbereiche wie Tagebücher und freie Seiten, in der sich die jeweiligen AutorInnen auch von weniger streng thematisch regulierten Seiten zeigen konnten. Ob Arthur Spiegler über seine Reisen in russische Nationalparks berichtete, Elisabeth Ziegler ihre interkulturellen Aktivitäten in Osttirol schilderte, Martin Kirchner sein Ökodorf-Projekt Wald entfaltete oder Uwe Plachetka seine ethnologischen Inkastudien über informationsbasierte Landwirtschaft weitertrieb - der subjektive Bezug zum Theme Dorf zerlegte sich in viele Facetten.
hier sollen nur einige Streiflichter aus einem großen und leider noch immer chaotischen und intransparenten Projekt geboten werden:
Was hier nicht ausgeführt werden kann, aber zumindest ansatzweise erwähnt werden soll, ist die dem Dorfwiki und der Vision der Globalen Dörfer zugrundeliegende Vision einer fraktalisierten Gesellschaft. Fraktalität ist nicht bloß ein technischer Weg der Edition von Inhalten im virtuellen Raum, es ist auch ein Weg zur Strukturierung von Bedürfnissen und Lebensweisen, der ein Maximum an individueller und kollektiver Freiheit der Lebensgestaltung in der materiellen Welt garantieren soll. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass unsere Zeit zu einer unumkehrbaren Individualisierung und Diversifizierung von Bedürfnissen, Wünschen, Empfindungen, Einstellungen, Meinungen, Zielen, Lebensentwürfen und gesellschaftlichen Organisationsweisen geführt hat. Diese Individualisierung ist in keinem "homogenen" Politikentwurf mehr angemessen darstellbar, im Gegenteil steigert jeder dahingehende Versuch die gesellschaftlichen Antagonismen und bringt die Phänomene der "Tribalisierung" und Segmentierung nur klarer zum Ausdruck. Das Internet ist in diesem Umfeld ein ganz wesentliches Resonanzphänomen, es bringt Individuen nicht nur mit verschiedensten Werthaltungen in Berührung (das war schon die Funktion der historisch vorangehenden Medien) sondern vor allem mit anderen Individuen, mit denen es in "Resonanz" gehen und kollektive Vorstellungen und Entwürfe generieren kann. So dient das Netz als Sammelpunkt kultureller Communities, was von außen als undurchschaubar und gesellschaftlichen Binnenkonsnenses erodierendes Phänomen erscheint. Eine fraktale Organisationsweise von Gesellschaft erlaubt es aber, diesen Diversifizierungsprozeß positiv in gesellschaftliche Entwicklung aufzunehmen. Eigenart und Differenz werden zu Konstituenten gesellschaftlicher Identität, und der Dialog von Verschiedenartigem die Quelle von Struktur. "Dörfer" sind relativ autarke Einheiten im physischen Raum, die die Kultivierung von Eigenart und Differenz zulassen. Es besteht hier eine gewisse Übereinstimmung mit Christopher Alexander, der Stadtplanern als Leitthema von lokaler Entwicklung ein "Mosaik von Subkulturen" vorschlug. [16]
Trotz punktueller Erfahrungen und trotz des irreführenden Namens ("Wiki wiki" heißt hawaianisch "schnell") kann festgestellt werden: ein Wiki ist kein wirklich schnelles Medium, die Schnelligkeit elektronischer Kommunikation verschafft uns eigentlich ebensoviele verlangsamende wie beschleunigende Faktoren. Daher ist ein prinzipieller Faktor, der den Erfolg oder Mißerfolg von Wikis ausmachen wird die Fähigkeit der Benutzer, wirklich strategisch und in langen Zeiträumen zu denken. Das wird auch bedingen, daß ähnlich wie bei Citizendium kollektive Editionsprozesse um individuelle oder organisatorische Verantwortlichkeiten herum aufgebaut werden müssen, um Kontinuität zu garantieren. Auch das Dorfwiki wird sich in diese Richtung entwickeln müssen. In der Projektorganisation trat zusätzlich die folgende Schwierigkeit auf: man kann leicht Resultate aus einem Wiki heraus entnehmen (Kopieren in ein Word - Dokument z.B.), aber die Eingabe fällt vielen Leuten sehr, sehr schwer: ohne einen WYSIWYG - Editor mit der Möglichkeit, Textverarbeitungsdolumente auch zu importieren und nicht nur zu exportieren, wird Wiki sicherlich ein Minderheitentool bleiben [17]. Das ist schade, ist doch Wiki wirklich ein einmaliges Werkzeug für das Verfassen und die Dokumentation von gemeinsam erarbeiteten Resultaten. Wichtig ist dass diese auch für Außenstehende überschaubar bleiben und im Rahmen des Wiki von einer Community mit klaren Codes weiterentwickelt werden. Um dies zu erreichen, ist die nächste Perspektive und der nächste Entwicklungsschritt des Dorfwiki neben Verbesserung des Editionsprozesses und des Inhaltsverzeichnisses die Perspektive eines graphischen Designhandbuches. Fraktalität als "Einheit in der Vielfalt" und als "Vielfalt in der Einheit" soll auch optisch erfaßbar sein, die GestalterInnen eines fraktalen Raumes sollen auch Werkzeuge zur Verfügung haben, diesen ihrer Individualität anzupassen. Ich hoffe bald von Fortschritten berichten zu können.
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