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Willkommen im Globalen Dorf /
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Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Intro und Essenz   
zur Person   
Highlights   
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/Vorbereitung ˧

Intro und Essenz    

Werte ZuhörerInnen und Zuhörer, hier ist Franz Nahrada aus Bad Radkersburg. ich freue mich dass Sie zufällig oder auch mit voller Absicht dieser Sendung lauschen, im Internet-Archiv, bei einer Sendungsübernahme durch ein freies Radio oder gar schon bei der Erstausstrahlung auf Radio Helsinki am 7.Oktober 2025. Es ist heute meine allererste Sendung auf Radio Helsinki, und ich bin einer von jenen südsteirischen Sendungsmachern, die aufgrund einer wenig erfreulichen Entwicklung von Radio Agora auf Radio Helsinki gewechselt sind. Also betitle ich diese meine heutige Sendung mit "Rekapitulation", um sowohl den Wechsel als auch die Kontinuität zu betonen. ˧

Vor mehr als sechs Jahren habe ich auf Einladung der damaligen Leiterin von Radio Agora mein Sendungsprojekt begonnen und dort über 60 Sendungen produziert. Ich verstehe diese Sendungen als laufende Erkundungen einer möglichen Zukunft, die radikal verschieden ist von der, die uns heutzutage medial, politisch und wissenschaftlich verkauft wird. Es ist eine Zukunft jenseits der erdrückenden Allgegenwart und universellen Herrschaft von Geld, Kapitalakkumulation und Staatsapparaten. Jenseits der Imperien oder Ordnungsmächte, jenseits von Geopolitik, Macht- und Marktkonkurrenz. Jenseits wuchernder Megastädte, deren gigantische Infrastrukturen immer fragiler und unbeherrschbarer werden. Jenseits einer Lebensweise, die den Menschen auf ein schizophrenes Dasein als Konsument und Produzent reduziert, auf ein atomisiertes Individuum in anonymen Massen, abgeschnitten von Natur, Nachbarschaft, von den Quellen des Lebens, eingespannt in eine immer absurder werdende selbstzweckhafte Megamaschine deren Logik mittlerweile auf substanzlose Verschuldung, Massenverarmung, Krieg und planetare Zerstörung hinausläuft - hinter der glänzenden Fassade von Wettbewerb und Reichtum, Vergnügung und Spektakel. ˧

Die Idee der „Globalen Dörfer“, die ich seit Jahrzehnten entwickle und erforsche, ist der Gegenentwurf zu dieser Sackgasse. Sie geht aus von der einfachen, aber folgenreichen Einsicht, dass wir heute über Technologien verfügen, die uns nicht mehr in die Zentralisierung und Ballung treiben müssen, sondern im Gegenteil Dezentralisierung, Vielfalt und regionale Lebendigkeit ermöglichen. Die globale Vernetzung muss nicht zwingend zur Vereinheitlichung führen; sie kann im Gegenteil der Hebel sein, damit unterschiedliche Orte, Regionen, Kulturen ihre Eigenheiten bewahren, ja sogar ausbauen – und sich zugleich kooperativ mit der ganzen Welt verbinden. Nur so, behaupte ich, kann wahre menschliche Freiheit existieren, in überschaubaren Gemeinschaften die wir bilden und aber auch verlassen können. ˧

Ein Globales Dorf ist deshalb kein nostalgischer Rückgriff auf eine vermeintlich heile Vergangenheit. Es ist auch kein naiver Gegenentwurf zur modernen Stadt. Es ist ein ernsthafter Versuch, sich vorzustellen, wie die Stärken des Dorfes – die Nähe, die Vertrautheit, die Eingebundenheit in Natur und Gemeinschaft – sich mit den Stärken der globalen Kultur – Wissen, Technologie, Austausch – verbinden können. Es ist die Vorstellung, dass man an einem konkreten Ort leben kann, eingebettet in eine konkrete Landschaft und Nachbarschaft, und zugleich Zugang hat zum gesamten Schatz der Menschheit: zum Wissen, zu den Werkzeugen, zu den kulturellen Ressourcen, die wir uns in Jahrtausenden erarbeitet haben. Und eben auch zu den neuen technologischen Errungenschaften wie künstlicher Intelligenz, die unserem Geist Flügel verleigen können wenn wir nicht aus lauter Bequemlichkeit das Denken verlernen. ˧

Die Globalen Dörfer sind daher kein isoliertes Utopia, sondern eine konkrete Möglichkeit: Sie entstehen überall dort, wo Menschen begreifen, dass die Zukunft weder im endlosen Wachstum der Metropolen noch in der Flucht ins Private liegt, sondern in der kreativen Neuverknüpfung von lokalen und globalen Potentialen. ˧

Und genau das habe ich mit meinen bisherigen 61 Radiosendungen erkundet: nicht nur als theoretisches Manifest, sondern auch als lebendige Erzählung, als Reise durch Beispiele, Gedanken, Stimmen und Geschichten. Jede Sendung war für mich ein Mosaiksteinchen, ein weiterer Versuch, das Bild dieser möglichen Zukunft klarer hervortreten zu lassen. denn diese Zukunft ist komplex; unfassbar viele Lebensfragen auf unserem Planeten müssen beantwortet werden, und nahezu alles ist irgendwie miteinander verbunden. Das Bedürfnis nach einer solchen differenzierten Zukunftsvision ist nahezu ebenso weit verbreitet wie die Verwirrung und geistige Armut, die sich mit Versatzstücken und Kostümen aus der Mottenkiste längst überwunden geglaubter historischer Epochen nur notdürftig kaschiert. Es ist durchaus nicht überflüssig vorauszuschicken dass diese Sendung weder für einen Weltstaat, noch für einen besseren Nationalstaat und schon gar nicht für einen gerechtigkeitsspendenden Arbeiterstaat eintritt - die drei meistverbreiteten und eifrig miteinander streitenden politischen Utopien unserer Zeit - mit einem leider nahezu hunderprozentigen Abdeckungsgrad -werden hier immer wieder nebenbei der Kritik unterzogen. Auch die Vorstellung man müsse die Gesellschaft nach einem einheitlichen Bild formen und Menschen auf einheitliche Werte und Solidarität verpflichten findet hier scharfen Widerspruch: im Gegenteil wird hier nach Mitteln und Wegen gefragt, wie wir es erreichen dass ein weltweiter Konsens für autonome Lebensgestaltung und freie Wahl der Lebensweise entsteht - wie wir es also erreichen dass uns "die Gesellschaft" möglichst in Ruhe lässt. Nur innerhalb eines solchen Minimalkonsens können sich wahre Kooperation und damit wirkliche Lösungen für die oben angesprochenen Lebensfragen auf unserem Planeten finden. Der Minimalkonsens lässt eindeutige Freiheit für die Wahl der Wirtschaftsweise nach innen und entzieht sich daher auch der totalitären Diktatur von Markt und Geld, die sich längst in universelle Zugriffsmittel einer neofeudalen Elite verwandelt haben. ˧

Aus all dem gesagten geht hervor, dass gerade der ländliche Raum das spannendste Feld dieser Entwicklung ist. Denn hier stoßen die Widersprüche unserer Zeit besonders scharf aufeinander: Abwanderung, Überalterung, der Verlust an Infrastruktur und Arbeitsplätzen – und gleichzeitig eine unermessliche Fülle an Ressourcen, die von der industriellen Logik nicht gesehen werden. Landschaften, Wasser, Böden, Traditionen, handwerkliche Fertigkeiten, kulturelle Eigenheiten – sie scheinen im globalen Wettbewerb keinen Wert mehr zu haben. ˧

Aber in Wahrheit sind sie genau der Reichtum, der uns in einer postfossilen, kooperativen und kreativen Zukunft tragen könnte - auch und gerade an jenem Zeitpunkt in der Geschichte, an dem die künstliche Intelligenz samt Robotik und Automation endgültig die massenhaft organisierte industrielle Lohnarbeit samt ihren massenhaften Kopflangern zu ersetzen in der Lage ist. Das muss nicht unbedingt ein Unglück sein, doch stellt diese leider nicht mehr sehr ferne Perspektive die Menschheit tatsächlich vor die größte Existenzfrage ihrer Geschichte. Denn ganz offensichtlich sind damit alle in der industriellen Zeit krebsartig gewucherten Wohn-, Siedlungs- und Lebensweisen überholt, wir brauchen keine aufgestapelten ArbeiterInnen-Schließfächer und Riesenwohnblocks mehr, in denen wir mit bedingungslosem Grundeinkommen und Tittytainment vielleicht noch eine Zeitlang als nutzlose Esser weitervegetieren könnten. Wenn ich sage "wir" dann will ich gerade nicht vereinnahmen oder für jemand anders entscheiden. ˧

Ich spreche vielmehr von einer historischen Weichenstellung, vor der wir alle stehen: Entweder wir lassen uns treiben in eine Welt, in der Menschen zu bloßen Restposten einer übertechnisierten Ordnung werden – oder wir entdecken, dass gerade in der Befreiung von Zwangsarbeit ein ungeheures Potenzial liegt. Denn dann kann die Frage neu gestellt werden: Wozu sind wir Menschen überhaupt da? Was macht uns lebendig, kreativ, schöpferisch? ˧

Und genau hier setzt die Idee der Globalen Dörfer an. Sie ist nicht nostalgisch, sondern zukunftsweisend: Sie zeigt einen Weg, wie die technischen Möglichkeiten der Gegenwart – Vernetzung, Wissensaustausch, Automatisierung – uns frei machen können für die Entfaltung des Lebens an konkreten Orten. Orte, die ihre Eigenheiten haben und die doch verbunden sind mit der Welt. Orte, die Natur achten und Kultur pflegen, aber zugleich nicht vom Rest der Welt abgeschnitten sind. Orte, die uns wieder lehren, dass menschliche Freiheit nicht darin besteht, in Megamaschinen ein Rad zu sein, sondern in der Fähigkeit, in überschaubaren Gemeinschaften ein sinnvolles, reiches Leben zu führen – und das dafür erarbeitete Wissen jederzeit zu teilen, weiterzugeben, in Resonanz zu bringen mit anderen Orten auf dem Planeten. ˧

Ich habe sehr früh in meiner Sendung einen gewissen John Mc Knight zitiert, bekannt durch ein Buch aus dem Jahr 1996 mit dem Titel "The Careless Society". Schon damals wandte er sich gegen die wohlmeinenden Bemühungen, durch Aktionen von Außen Nachbarschaften aufzubauen und zu revitalisieren. Diese staatlichen Systeme leisten zu viel, greifen dort ein, wo sie wirkungslos sind, und versuchen, die wechselseitige Fürsorge durch Dienstleistungen zu ersetzen. Anstelle mehr oder besseren Dienstleistungen zu fordern, postulierte das Buch schon damals,"dass die Gemeinschaftskapazität der lokalen Bürger die Grundlage für die Lösung vieler sozialer Probleme Amerikas ist." ˧

In einem Vortrag von 2009 den ich in Sendung 6 ( http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?Willkommen_im_Globalen_Dorf/6__Coronakrise__und__DorfUni) ausführlich wiedergab hat er diese Sichtweise verallgemeinert: ˧

"Es entwickelt sich eine neue weltweite Bewegung, die sich aus Menschen mit einer etwas anderen Vision für ihre lokalen Gemeinschaften zusammensetzt. Solche Bewegungen haben keinen Geschäftsführer, keine Zentrale und auch keinen fixen Plan. Stattdessen entstehen sie, wenn Tausende und Abertausende von Menschen gemeinsam neue Möglichkeiten für ihr Leben entdecken. Sie haben eine Berufung. Sie sind berufen. Und gemeinsam artikulieren sie diese Berufung. Sie rufen sich selbst. Und sie rufen andere. Unter verschiedensten Namen entstehen weltweit Gruppen von BewohnerInnen vor Ort, die den Mut haben, ihren eigenen Weg zu entdecken - eine Kultur zu schaffen, die von ihrer eigenen Vision geprägt ist. Es ist eine handgemachte, hausgemachte Vision. Und wohin wir auch hinschauen, es ist eine Kultur, die überall auf der Welt auf die gleiche Weise beginnt: ˧

Zuerst sehen wir, was wir schon haben - individuell, als Nachbarn und an diesem unserem Ort. ˧

Zweitens erfahren wir, dass die Kraft dessen, was wir haben, dadurch wächst, dass wir neue Verbindungen und Beziehungen unter uns und zwischen dem, was wir haben entstehen. ˧

Und drittens wissen wir, dass diese Verbindungen nur dann entstehen, wenn wir individuell oder kollektiv daran arbeiten, diese Verbindungen herzustellen - sie entstehen nicht einfach von selbst. ˧

Wir wissen auch, dass diese drei Schritte oft von großen Unternehmen, Regierungsbehörden, professionellen und akademischen Institutionen blockiert werden können. Sie sagen uns oft: "Ihr seid unzulänglich, inkompetent, problematisch oder kaputt. Wir werden Euch reparieren." ˧

Es ist unsere Berufung, diese Stimmen, die Abhängigkeit schaffen, zu ignorieren, denn wir sind aufgerufen, unseren Weg zu finden - und nicht ihren Weg zu gehen. ˧

Wir streben danach, in einer Demokratie zu leben. Eine Demokratie ist eine Politik, die uns die Freiheit gibt, unsere eigene Vision zu schaffen, und die Macht, diese Vision zu verwirklichen. Wir streben danach, Bürger zu sein - Menschen mit der Vision und der Macht, unseren eigenen Weg zu schaffen, eine Kultur der Gemeinschaftsfähigkeit, der Verbindung und der Fürsorge. ˧

Leider denken viele Führungspersönlichkeiten und sogar einige Nachbarn, dass die Idee einer starken lokalen Gemeinschaft irgendwie "nett" ist, eine putzige Sache zur Freizeitgestaltung - aber nicht wirklich bedeutsam, lebenswichtig oder notwendig. Wir wissen jedoch, dass starke Gemeinschaften vital und produktiv sind. Vor allem aber sind sie deswegen notwendig, weil alle Institutionen ihre Grenzen haben" ˧

Das also ist die Grundlage von "Willkommen im Globalen Dorf". Und die Grundannahme ist, dass sich diese nützlichen Verbindungen unbedingt über die lokale Sphäre hinausentwickeln müssen. ˧

Dass sich lokale Gemeinschaften nur durch das Zusammenspiel mit überregionalen oder globalen Verbindungen entwickeln und in ihnen gedeihen können, ist keine neue Einsicht. Schon in frühen indigenen Gesellschaften zeigt sich dies: Ein anschauliches Beispiel sind die Anasazi im heutigen Südwesten der USA. Ihre Dörfer, teils spektakulär auf Felsvorsprüngen gebaut, waren nicht isolierte Siedlungen. Sie standen in einem weitgespannten Netzwerk von Handelswegen, Wissensaustausch, kulturellen Ritualen und politischen Allianzen. Materialien, Techniken, Saatgut, Kunstgegenstände und symbolische Ideen wurden über große Entfernungen weitergegeben – und gleichzeitig veränderten diese Kontakte das lokale Leben vor Ort, stärkten Anpassungsfähigkeit, Innovation und Überlebensfähigkeit. ˧

Ähnlich verlief es in anderen Kulturen: In Afrika, in Polynesien, in den Flusslandschaften Mesopotamiens und in den Kulturen des Mittelmeerraums war das Lokale ohne das Globale nicht lebensfähig, und das Globale blieb nur durch das Lokale wirksam. Jede Gemeinde, jeder Ort, jede Region konnte nur dann bestehen, wenn sie in größere Netzwerke eingebunden war – sei es durch Handel, durch Heiratsallianzen, durch Rituale, Wissenstransfer oder den Austausch von Arbeitskraft und Ideen. ˧

Mit anderen Worten: Lokale Stärke und globale Vernetzung sind keine Gegensätze, sondern komplementär. Nur wer sein lokales Potenzial kennt und entwickelt, kann von globalen Verbindungen profitieren; nur wer Zugang zu globalem Wissen, Ressourcen und Inspiration hat, kann seine lokale Existenz lebendig halten und weiterentwickeln. Das war für die Anasazi ebenso gültig wie für heutige und zukünftige Gemeinschaften, die versuchen, das Erbe der Globalen Dörfer praktisch zu leben. Die Vergangenheit zeigt uns: Vernetzung ist kein Luxus, sondern eine Lebensnotwendigkeit. ˧

Aber die Geschichte der letzten 100 Jahre mit ihrer explosionsartigen Ausbreitung der Kommunikationstechnologien die uns alle mit Lichtgeschwindigkeit verbindet, fügt hier ganz neue Potentiale hinzu. Stellen wir uns ein kleines Dorf in der Südsteiermark vor – ein Ort, den wir alle vielleicht aus der Ferne als ‚abgelegen‘ beschreiben würden. Hier gibt es Felder, Wälder, Bäche, alte Werkstätten, handwerkliches Wissen, aber auch Menschen mit Ideen, Projekten und Träumen. Allein betrachtet, ist das vielversprechend, aber noch nicht außergewöhnlich. Erst wenn die DorfbewohnerInnen beginnen, diese Ressourcen miteinander zu verbinden – die Werkstätten öffnen, Wissen austauschen, Initiativen gemeinsam planen –, beginnt die wahre Kraft zu wirken. Ein altes Bauernhaus wird zur Werkstatt für Solartechnik, ein leerstehender Hof zum Treffpunkt für Kreative, Nachbarn vernetzen sich über lokale Projekte hinaus mit Gleichgesinnten in Slowenien, Italien oder sogar Kanada. In Realzeit. ˧

Jede Verbindung, jede Zusammenarbeit verstärkt das, was schon da ist. Ein einzelner Mensch kann Inspiration und Energie bringen, ein Projekt kann Aufmerksamkeit erzeugen, aber erst das gemeinsame Tun entfaltet das Potenzial. Wir sehen, wie lokale Stärke und globale Vernetzung Hand in Hand gehen: Wenn die Menschen im Dorf ihren eigenen Weg gehen, schöpfen sie zugleich aus einem weltweiten Pool von Erfahrungen, Techniken und Ideen. Und jede neue Beziehung bringt Impulse zurück ins Dorf – ein unsichtbares, aber spürbares Netz von Vitalität, das die Gemeinschaft trägt und wachsen lässt. ˧

Man könnte sagen: Die Ressourcen waren immer schon da – die Arbeit, die Aufmerksamkeit, das Verbinden ist das, was sie lebendig macht. Wie bei einem Garten: Samen, Wasser, Erde und Sonne reichen nicht. Es braucht Hände, die pflanzen, gießen, jäten, miteinander sprechen und Neues ausprobieren. Erst dann entfaltet sich Leben in voller Fülle. ˧

Aber das ist nur der Anfang. Über digitale Netzwerke können NachbarInnen und Dörfer weltweit Baupläne für ökologische Häuser, Solar- und Windtechnik, Wasseraufbereitung oder Gemeinschaftsprojekte austauschen. Sie teilen Saatgut und landwirtschaftliche Praktiken, diskutieren Erfahrungen mit neuen Anbaumethoden oder nachhaltiger Forstwirtschaft. Wissen über Bildung, Kinderbetreuung, gemeinschaftliche Kulturprojekte oder Gesundheitsversorgung wird unmittelbar zugänglich. ˧

KünstlerInnen können Ideen für öffentliche Kunst, Feste, Musik oder Theater direkt weitergeben und gleichzeitig Inspiration aus anderen Ländern empfangen. HandwerkerInnen können Prototypen und Entwürfe teilen und 3D Drucker können diese Entwürfe anschaulich machen, SoftwareentwicklerInnen können gemeinsam an lokal relevanten Anwendungen arbeiten, während LehrerInnen Lernmaterialien austauschen und digitale Klassenzimmer aufbauen. ˧

Es entstehen Initiativen für gemeinschaftliche Mobilität, gemeinsames Energiemanagement, Mikrofinanzierung und solidarische Wirtschaft. Man kann an Workshops teilnehmen, auch wenn man 500 Kilometer entfernt lebt. Wissen und Erfahrung werden fließend, grenzüberschreitend und praktisch nutzbar – in Echtzeit. ˧

Und während all dies geschieht, verändert sich die Kultur des Ortes selbst. Menschen lernen, selbstbestimmt, kreativ und kooperativ zu handeln, sie übernehmen Verantwortung für ihre Umwelt, ihre Nachbarn, ihre Projekte. Aus jedem kleinen Dorf kann so ein Knotenpunkt im globalen Netzwerk von Wissen, Ideen und Kooperation werden, mit ganz eigenen Schwerpunkten. Lokale Initiativen gewinnen Strahlkraft, globale Impulse werden in konkrete lokale Taten umgesetzt – und die Vision der Globalen Dörfer nimmt Schritt für Schritt Gestalt an..... ˧

Wir sind jetzt bei der Halbzeit meiner Sendung angelangt. Liebe HörerInnen und Hörer, ich denke ich habe Euch die Essenz meiner Sendung ausgiebig dargelegt und kann den Rest der Sendung mit einigen Leckerbissen aus der Sendungsgeschichte garnieren. Doch bevor ich das tue, möchte ich mich auch kurz nochmal persönlich vorstellen. ˧

zur Person    

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Also ich bin nicht mehr gerade der jüngste mit meinen 71 Jahren, und kann auf einen ziemlich bunten Lebensweg zurückblicken. Vielleicht ist es gerade für unsere Thematik wesentlich, dass ich in einer Zone von Wien aufgewachsen bin, wo sich ländliche Relikte mit urbanen Träumen überlagerten: in Floridsdorf, das in meiner Kindheit tatsächlich durchaus noch ein Siebendörfer-Bezirk war. Ich wurde da in eine Gastwirtsfamilie in Jedlesee hineingeboren, und ich erlebte unser Lokal tatsächlich als den Ort, wo eine Art nostalgische Dörflichkeit gepflegt wurde. Zugleich erlebte ich aber eben auch das Gegenteil: eine Kompensation für eine nicht vorhandene Dörflichkeit, einen Ort wo isolierte Großstädter der Einsamkeit zu entfliehen versuchten und sogar mich altkluges Kind in ihre Konversationen miteinbezogen. Direkt gegenüber von unserem Gasthaus und zwölf Jahre nach seinem Bau, (der sich seit jeher auch mit wenigen Fremdenzimmern aber vielen Mietwohnungen je schon als Hotel träumte), hatte das Rote Wien eine spektakuläre Siedlung errichtet, einen Konzeptbau für Otto Wagners Vision vom Superblock, die „Gartenstadt Jedlesee“ oder den Karl Seitz Hof, der mit seinem modernistischen Uhrturm und seiner palastartigen Anlage eher ein gebautes Manifest für modernen sozialen Wohnbau war - weniger ein Ort des Zusammenlebens als ein gebautes Versprechen, das nie eingelöst wurde, eine ambitionierte Inszenierung, keine gelebte Erfahrung. Ich denke dieses ziemlich heftige Aufeinanderprallen von dörflicher und urbaner Realität hat mich unbewusst sehr geprägt; ein beziehungsloses Nebeneinander mit vielen Möglichkeiten, die aber keinen kohärenten Gesamtsinn ergaben. Diesen Mangel an Kommunikation hab ich eher traumatisch erlebt, und mich liebend gerne in Phantasiewelten geflüchtet. Ich habe kubikmeterweise utopische Romane gelesen und mich mit Gestaltungsmöglichkeiten beschäftigt. Als ich 17 Jahre alt war, fühlte ich mich immer mehr zu sozialen Utopien hingezogen, und ich schrieb meine eigene Version davon mit dem Titel "das System des Glücks". Konsequenterweise wählte ich Soziologie und Philosophie als Studienfach - und wurde binnen kürzester Zeit zum Wissenschaftskritiker, denn ich vermisste jedes ernsthafte Engagement der Sozialwissenschaften und einen genuinen Zusammenhang von Aufklärung und Praxis. Freilich kollidierte dieses Engagement mit dem Willen meiner Kommilitonen, möglichst rasch einen Abschluss zu machen und eine Karriere zu beginnen. Verzweifelt über dieses Desinteresse verlor ich die Motivation zur Agitation und begab mich lieber immer öfter in die Idyllen griechischer Dörfer. Und weil ich nicht Kopflanger zur Ausschmückung unwissenschaftlicher politischer Entscheidungen mit dem Schein der wissenschaftlichen Nótwendigkeit sein wollte, ließ ich mich auf einen ganz banalen Deal mit meinem Vater ein, der mir einerseits weiterhin die akademische Freiheit gewährte aber gleichzeitig bis zu einem gewissen Punkt Unterstützung im Hotel forderte. Das brachte mich (neben Kellnerlehre und Kontessionsprüfung) auch mit der Welt der Computer in Verbindung, der ich während meines Studiums konsequent aus dem Weg gegangen war, weil ich sie für eine mechanische, entmenschlichende Kraft hielt. Aber mittlerweile waren die Computer etwas ganz anderes geworden: Mittel der raschen und leicht zugänglichen menschlichen Kommunikation. Und Mittel, die Fähigkeiten jedes einzelnen Menschen zu vervielfachen. Das war ein revolutionärer Geist der mich packte und meiner Überraschung tummelten sich damals viele Menschen mit gegenkulturellen Visionen in der Computerindustrie. Die elektronische Tabellenkalkulation wurde zwar oberflächlich als Business-Tool verkauft, war aber letztendlich eine Waffe gegen das Establishment, da jeder mit einem kostengünstigen PC die Berechnungen der Führungsetage hinterfragen konnte. Und für mich war es die ultimate Befreiung, denn im Deal mit meinem Vater bot ich ihm an die mühsame Arbeit der Monatsabrechnung von 2 Tagen auf 2 Minuten zu verkürzen. Und so kam es, dass ich auch sieben Jahre lang viele Monate in den USA verbringen konnte, von wo diese Computerrevolution herkam. Und wo ich wiederum auch auf einen neuen Weg stieß, technische Innovationen mit sozialen Innovationen zu verbinden. Die Neunziger Jahre waren eine wilde Zeit: ich wurde Mitgründer des Zentrums für Soziale Innovation in Wien, hielt Vorträge, entwickelte exemplarische Medienprojekte, organisierte Konferenzen, machte Studienreisen in Europa - und wollte sogar ein Zukunftskloster in Kroatien auf der Insel Mljet aufbauen, als der Tod meines Vaters mich plötzlich in die Rolle des Hoteldirektors katapultierte. Es waren schwierige Jahre, denn die Konkurrenz im Wiener Tourismus ist mörderisch. Aber ich konnte auch hier Akzente setzen: ich sah unser Haus war nicht nur als einen Betrieb, sondern als sozialen Raum, der unzählige Gespräche und Verbindungen möglich machte. Oft nutzte ich die winterlichen Betriebsferien für wochenlange Studientreffen mit Menschen aus aller Welt; und spürte dass eine solche "Gastlichkeit" ein Miteinander schaffen konnte in dem sich Menschen begegne, austauschen und gemeinsam Neues hervorbringen konnten. Die Idee nach dem mühsamen Konzeptwechsel zum Business Hotel sich angesichts der übermächtigen Konkurrenz noch einmal neu zu erfinden und ein "WG-Hotel" zu schaffen, in dem diese Begegnungen der Gäste untereinander die Hauptrolle spielten, scheiterte ausgerechnet am Wiener Bauboom: Meine restliche Familie votierte für einen Verkauf bei günstigem Wind - und ich musste als Minderheitengesellschafter wohl oder übel einwilligen, wobei meine gesundheitliche Probleme den letzten Anstoß gaben. Und so kam es, dass ich mit dem Minoritätsanteil aus dem Hotelverkauf ausgerechnet in Bad Radkersburg einen neuen Lebensmittelpunkt erwerben konnte. Und was war das? Ein ehemaliges Mikrohotel mit acht Zimmern, das gerade Pleite gemacht hatte. Heute lebe ich zumindest diesen meinen Traum und experimentiere mit dem temporären Zusammenkommen von Menschen im Rahmen von Projekten. ˧

Ein kleines Addendum zu Graz sei mir noch gestattet; während meiner frühen Computerjahre samt meiner damaligen Bewegungsfreiheit bin ich wahrscheinlich nirgendwohin so oft eingeladen worden wie nach Graz. Ob via BTX, am Institut für Informationswissenschaft, an der TU, beim WIFI, beim Grazer Apple Händler ManTra? und sogar im Rahmen des Steirischen Herbsts - hier hatte ich oft das Gefühl besser gehört zu werden und einen beweglicheren Geist vorzufinden als in Wien. Und letztlich habe ich auch in Helmut Leitner mit seiner genialen Wiki-Engine nicht nur den besten Ort für das Repositorium meiner Gedanken gefunden, das DorfWiki, sondern auch einen treuen philosophischen Diskussionspartner. Und als wir im Rahmen von Elevate 2020 knapp vor den bleiernen Pandemiejahren noch die DorfUni im Forum Stadtpark starten konnten, war das wie ein Wiederheimkommen, über das damals auch Radio Helsinki berichtete. Und das ist nur die Spitze eines Eisberges vieler weiterer Engagements. Insoferne freue ich mich, wenn die Präsenz auf Radio Helsinki auch zu weiterer Vernetzung in Graz führt. ˧

Highlights    

Gehen wir also nun zu der Rekapitulation der 61 Radiosendungen und zu den Highlights über. Jede Sendung ist ein Mosaikstein: Mal theoretisch, mal praktisch; mal erzählerisch, mal dokumentarisch. Mal berichten Stimmen von ExpertInnen, PraktikerInnen oder NachbarInnen, mal versuche ich selber wie heute einen Gedanken alleine durchzutragen. ˧

Es ging in all diesen Sendungen nicht darum, fertige Lösungen zu präsentieren. Vielmehr ging es darum, Möglichkeiten zu zeigen, Potenziale zu erkennen und Verbindungen herzustellen – zwischen Menschen, Orten, Wissen, Kultur und Technologie. Es geht um das Konzept der „Globalen Dörfer“ in der Praxis: dass lokales Leben gestärkt und zugleich mit globalen Netzwerken verbunden wird, dass Selbstorganisation, Kooperation und Kreativität vor Ort möglich sind und zugleich Teil einer größeren, weltweiten Bewegung werden können. ˧

Die allererste Sendung trug den Titel „Was ist ein Globales Dorf?“. Hier wurde der Samen für alles gesät: die Frage, wie Menschen an konkreten Orten leben und gleichzeitig Teil einer globalen Gemeinschaft sein können. Alles kreist um die Paradoxie die Marshall McLuhan postulierte: dass gerade die globale Vernetzung letztlich eine noch nie dagewesene Renaissance des Lokalen auslösen würde. ˧

In der zweiten Sendung mit Daniel Christian Wahl: Der Mensch als Teil der Natur“ verschiebt sich der Blick. Plötzlich wird klar, dass unsere lokalen Handlungen in ein globales Geflecht eingebettet sind. Wahl zeigt, dass der Mensch nicht einfach Herr über die Natur ist, sondern Teil eines lebendigen Systems – eine Idee, die für die Globalen Dörfer zentral ist: die Verflechtung von Ökologie, Gemeinschaft und Technik. ˧

Nach diesen beiden Eckpfeilern ließ ich Akteure kleiner und großer Veränderungen zu Wort kommen. Besonders wichtig war mir der kommentierte Vortrag vom langjähriger Kampagnendirektor bei Greenpeace Österreich Wolfgang Pekny im der 5.Sendung , der bestätigte dass die ökologische Bewegung durch etwas Umfassendes und Neuartiges abgelöst werden müsste. ˧

Deswegen begann ich im Mai 2020 mit der sechsten Sendung einen ersten thematischen Zyklus, den ich mit "Resilienz" übertitelte. Unmittelbar ausgelöst durch die Corona Krise und die offensichtlichen Fehler der Maßnahmen forderte ich schon damals lokale Widerstandskraft, Selbstorganisation und die Fähigkeit, Wissen und Solidarität in Echtzeit zu mobilisieren. In den darauffolgenden 4 Sendungen war der Tenor: Dörfer und lokale Gemeinschaften können in Krisenzeiten stabiler und flexibler sein als Städte. ˧

Die logische Konsequenz aus dieser abstrakten Feststellung war freilich: es bedarf eines massiven Wissenstransfers an diese lokalen Gemeinschaften, soll sich dieses Potential wirklich entfalten. Daher enstand ein langer Bildungs-Zyklus (Sendungen 11–17), der engagierte Personen und Projekte neuer (aber auch scheinbar vergessener) Lernorte vorstellte die diese Forderung mit Leben erfüllen. Mit zwei Sendungen über „Das Digitale Gottesgeschenk“ öffnete sich schließlich die Perspektive auf das globale Wissen: Digitale Technologien erlauben es, Lernprozesse weit über Ortsgrenzen hinweg zu vernetzen. Das digitale Zeitalter bietet ein Geschenk: Zugang zu kollektiven Fähigkeiten, Informationen und Werkzeugen, die früher unvorstellbar gewesen wären. Der Modus digitaler Information ist die Kohärenz - weswegen die heutige sogenannte Informationsgesellschaft bestenfalls ein Witz ist, eine grausame Vergewaltigung der wirklich sachgemäßen Logik des Digitalen. Hier erinnere ich an einen der wirklich großen Visionäre, Kim veltman, dem ich später noch eine eigene Sendung gewidmet habe. ˧

Mit diesem Rüstzeug begann ich dann, über die konkreten Strukturen und Ausformungen globaler Dörfer zu spekulieren und nannte die Sendungen 18 bis 24 den "Gestalt-Zyklus". Kernthese: Unser Lebensraum kann organisch und sich selbst hervorbringend werden wie eine Pflanze. Information ist selbst Bestandteil des Organischen. Neue Siedlungsmodelle verbinden die Vorteile urbaner Dichte mit ländlicher Substanz. Und sie bringen zunehmend ihre eigenen Netzwerke in ein Meta - Netzwerk ein, denn vom Anfang an steht eine Pluralität der Gestaltung globaler Dörfer Pate. ˧

Im darauffolgenden Basis-Zyklus (Sendungen 25–29) ging es um die fundamentalen Lebens- und Arbeitsweisen im "Dorf der Zukunft". Dabei wurde sowohl die stoffliche Seite behandelt, vor allem in der Sendung "Wir müssen alle wieder Bauern werden", als auch die sozialen Mechanismen, die oft erdrückend wirken, aber auch durch "Wege aus der Enge" aufgebrochen werden können. Ich denke das alles hat sich sehr parallel zu meinem persönlichen Lernprozess abgespielt. ˧

Der Strategie-Zyklus entstand im Frühjahr 2022 unter dem Eindruck einer geopolitischen Zäsur: Die NATO-Osterweiterung, das jahrelange Säbelrasseln an den Grenzen Russlands. selbst gegen die Warnungen erfahrener Strategen wie Henry Kissinger, Kennan, Mearsheimer und wie sie alle heißen - und schließlich die Eskalation zum Krieg in der Ukraine. Plötzlich wurde deutlich, dass nicht nur ökonomische Krisen und ökologische Katastrophen drohten, sondern dass auch eine direkte militärische Konfrontation Europa heimsuchen könnte. In dieser Lage wurde klar: Dörfer, Regionen und lokale Netzwerke brauchen eigene Strategien der Resilienz und Orientierung – unabhängig von den Machtspielen der Großmächte. Und so war es Zeit, endlich den Blick auf die Friedensdörfer zu werfen, die genau aus dieser Perspektive schon eine eigene Welt geschaffen haben. Make Villages not war! lautete der Titel der legendären Sendung 30. und begann angesichts des Scheiterns der Friedensverhandlungen in Istanbul die politische Strategie der globalen Dörfer weiter zu schärfen - mit einer Sendung über Leopold Kohr, und danach mit einer Sendung über die politischen Kräfteverhältnisse die schon damals komplett in Richtung destruktiver Geopoltik verschoben hatten. In Sendung 33 hatte ich einen wirklich Mut machenden Menschen bei mir, mit dem ich schon vor 10 Jahren versucht hatte, ein alternatives globales Bildungssystem aufzubauen. Doch die sich verschlimmernden weltpolitischen Rahmenbedingungen, die körperlichen Herausforderungen nach der unglückseligen dritten Covid-Impfung, die massenhafte Entfremdung von meinen alten linken Freunden und das Gefühl, nichts mehr bewegen zu können in Radkersburg führten mich geradewegs in die Depression und eine sommerliche Sendepause 2022. Ein Weg, dem zu begegnen, waren zwei Radiosendungen, in denen ich mich auch selber fundamental in Frage stellte. ˧

Gerade daraus wuchs aber der Impuls, in mir selbst die stärksten Kräfte wiederzuentdecken, die mich noch tragen könnten, und es entstanden im Winter 2022 und im Frühjahr 2023 die Sendungen des "Utopie-Zyklus", die Titel trugen wie "ein Zukunftsmärchen", "Gehen die Alten voran?", "Wie wollen wir zusammen leben?" und "Wie wollen wir entscheiden?". Und es war mir trotz noch immer fortdauernder psychischer Belastung oder vielleicht auch gerade wegen ihr ein Anliegen, Gedankenstränge herzustellen zu Bewegungen die mitten im Backlash nicht aufhörten, kreative Interventionen zu machen, wie die re:build Bewegung, in der Computernomaden weltweit ihre Wurzeln in neuen regenerativen Dörfern zu finden hoffen, oder auch die immer noch lebendige Kunst- und Kulturbewegung des SolarPunk. Immer wieder rekurrierte ich auf auf theoretische und praktische Vorbilder, widmete dem Architekten und Philosophen der Lebendigkeit Christopher Alexander eine eigene Sendung und wagte mich schließlich auch auf theoretisches Neuland: in Sendung 46 begann ich mit der "Spekulativen Herausforderung an die Künstliche Intelligenz", nachdem im November 2023 plötzlich Chat GPT in aller Munde war. Schon damals hielt ich es für müßig und sachfremd, die KI sozusagen vom außen gefügig und kooperativ zu machen, als wäre sie ein simples Computerprogramm. Ich begann mich eher mit der Frage auseinanderzusetzen, was die Ko - Evolution von zwei Spezies bedeuten könnte, von denen die eine sich explosionsartig weiterentwickelt - und wie hier eine wenn auch noch geringe Chance bestünde, ein Bündnis für eine gemeinsame Zukunft zu schmieden. Im Monat darauf reflektierte ich mit der "Zwischenbilanz" in Sendung 47 wieder die Kräfteverhältnisse und stellte fest wie sehr die hemmenden Faktoren für eine Bewegung der Globalen Dörfer zugenommen hatten. ˧

Mit der Jänner-Sendung 2024 begann wieder ein neuer Zyklus, den ich den "Erinnerungs.Zyklus" nannte... Es war wie ein Atemholen, ein Pausieren. Ich hatte meine Endlichkeit gespürt, aber auchdas Bedürfnis, die Fülle der Begegnungen, Gedanken und Projekte, die meinen Weg geprägt haben, noch einmal ins Gedächtnis zu rufen – nicht nur für mich, sondern für alle, die diesen Weg vielleicht weitergehen möchten. Der Erinnerungszyklus war keine Nostalgieübung, sondern eine Form von Selbstvergewisserung: Welche Impulse waren fruchtbar? Welche Erfahrungen tragen noch heute? Welche Stimmen aus den vergangenen Jahrzehnten helfen uns, die Gegenwart zu verstehen? Ich gedachte der Begegnungen mit den Architekturlegenden Paolo Soleri, Joseph Smyth und Tony Gwilliam, mit Medienpionieren wie Douglas Engelbart und Kim Veltman, mit metapolitischen Aktivisten wie John McConnell? und schließlich auch dem langen verwinkelten Weg zur DorfUni, wo mich zeitweise auch weniger lichte Gestalten wie der Videobrücken - Visionär Joseph Goldin begleitet hatten. ˧

Im Mai 2024 gab es einen neuen Einschnitt; die erfolgreiche Durchführung der ersten DorfUni nach zweijähriger Pause und die Begegnung mit dem ökopädagogischen Visionär Knut Wimberger. In der 52. Sendung kombinierte ich seine bioregionale Sichtweise mit der immer wieder wiederholten Metapher vom Paradigma der Pflanze. Unsere Siedlungen werden nach dem Muster der Pflanzen gestaltete Systeme sein oder sie werden nicht sein. Und unsere größeren Zusammenschlüsse werden nach dem Muster des Rhizom funktionieren, nicht mehr linear, hierarchisch oder zentralisiert, sondern als Netzwerk gleichwertiger Knotenpunkte. Michael Baumgartner von Neustart Schweiz gab uns in Sendung 53 Einblicke in die sehr lebendige Debatte die Hans Widmers "Global Modules" ausgelöst hatte. Wimberger und Baumgartner hatten gleichermaßen den Impuls, angesichts solcher möglicher übernahmen bioregionaler Metastrukturen in unsere menschgemachten Megastrukturen den Nationalstaat als künstlich und obsolet zu beurteilen. Was mir die Gelegenheit gab, in einer eigenen Sendung noch einmal fundamental mit Staat und Nation abzurechnen. Putzige Begleiterscheinung war meine Teilnahme und meine mahnende Kritik vor dem Europäischen Gipfeltreffen der Mikronationen in Chisé in der Tschechischen Republik. Ich habe einleitend von der dreiköpfigen Hydra gesprochen die unser Denken okkupiert: Weltstaat - Nationalstaat - Arbeiterstaat. Vielleicht ist die 54. Sendung in diesem Sinn wirklich eine der wichtigsten, weil sie die Nationalisierung des Denkens fundamental kritisiert. ˧

Nach diesem allerletzten Zyklus begannen mich aktuelle Projektvorhaben zunehmend zu okkupieren, was sich auch in den letzten Sendungen widerspiegelt. Zweimal wurde auch mein letzter Grazer Auftritt 2025 zum Thema der Sendung. Der Organisator der CORP Konferenz Manfred Schrenk hat in Zusammenarbeit mit der Grazer Stadtplanung in der FH Joanneum die 30. Edition dieses internationalen Planertreffpunkts mit dem Motto überschrieben: Die Stadt geht kühn dahin, wo sie noch niemals war." Gemeint war damit zunächst dass auch kleine und mittleren Städte zunehmend zu Brennpunkten urbaner Innovationen werden können. Ich war eingeladen, diesen Gedanken bis zum logischen Ende zu spinnen: wie können die besten städtischen Qualitäten auch mitten im ländlichen Raum Gestalt annehmen? Und warum hat das nichts mit herkömmlichen Formen von Verstädterung zu tun? Auch sonst waren die Sendungen Gelegenheitssendungen, etwa zur Exkursion zu den sogenannten dörflichen Multifunktionshäusern, die das Landwirtschaftsministerium ausgeschrieben hatte und die dann von unseren Freunden vom Architekturbüro Nonconform durchgeführt wurde. Oder zum Auftritt der "Wilden Alten in Bad Radkersburg". Oder zu meinen diversen Gästen die sich doch immer häufiger am Südosteck einfinden. ˧

Da stehen wir also nun. Eigentlich hätte ich für diese Sendung gar keine Zeit gehabt, weil wir nach Jahren gefühlter Stagnation plötzlich frischen Wind in Bad Radkersburg spüren. Doch das ist eine andere Geschichte. Bis zum nächsten Mal, am ersten Dienstag im Monat November um 8.30 ! ˧